Spaziergang durch die »Pulverkammer Europas«

NSDAP-Kommissar besucht das Werk Düneberg, um 1940, hier in der heutigen Lichterfelder Straße, Geesthacht (Archiv)
NSDAP-Kommissar besucht das Werk Düneberg, um 1940, hier in der heutigen Lichterfelder Straße (Archivbild)
Prosperität und Reichtum für die einen, Zwangsarbeit, Entbehrung und auch Tod für die anderen und Grund für mindestens 1800 Bomben, die im Zweiten Weltkrieg auf Geesthacht geworfen wurden: Die Pulverfabriken in Krümmel und Düneberg waren maßgeblicher Bestandteil der deutschen Kriegsproduktion. Nach dem historischen Spaziergang über den Krümmel lädt der »Förderkreis Industriemuseum Geesthacht e. V.« jetzt zu einem weiteren historischen Spaziergang ein. Es geht durch die ehemalige »Pulverkammer Europas«, genauer gesagt: Über den früheren Betriebsteil »Elbe« der ehemaligen Düneberger Pulverfabrik im Westen der Stadt.

Los geht's am Sonntag, dem 10. Juni 2012, um 11 Uhr; Treffpunkt: Lichterfelder Str. 15 / Fa. Riess
Dauer des Spaziergangs ca. 2 Stunden, bis etwa. 13.00 Uhr. Bitte festes Schuhwerk und wettergemäße Kleidung!

Die Düneberger Pulverfabrik wurde 1876 von dem süddeutschen Pulverfabrikanten Max von Duttenhofer als Pulverfabrik Köln-Rottweil gegründet. Dazu pachtete Duttenhofer zunächst die Besenhorster Sandberge, ein 20 Hektar umfassendes Gelände im Bereich des heutigen Industrie- und Gewerbegebietes Düneberg. Bis zum Kauf gehörte es zum Besitz des Fürsten von Bismarck, der es wiederum von Kaiser Wilhelm I. geschenkt bekommen hatte. Das hügelige Dünengelände schien für die Zwecke einer Pulverfabrik sehr geeignet, da man üblicherweise die explosionsgefährdeten Gebäude durch Sandhügel voreinander schützte.

Weitere wichtige Standortfaktoren für den Firmengründer waren die Lage an der Elbe, die Nähe zum größten Import- und Exporthafen Europas sowie die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit mit der wachsenden Marine. Wenige Jahre nach Inbetriebnahme des Düneberger Werkes 1877 gab es geschäftliche Verbindungen zur Dynamitfabrik in Krümmel, die Vorprodukte, z. B. die Pulverrohmasse – nitrierte Zellulose - nach Düneberg lieferte. Hier stand die notwendige Ausrüstung zum Walzen und Trocknen des neu entwickelten rauchfreien „Pulvers“. Zuschnitt und Pressung für die nötigen Kaliber sowie ballistische Prüfung konnten hier vorgenommen werden. Zusammen mit Krümmels Sprengstofffabrik nannte man Düneberg und Geesthacht seither die Pulverkammer Deutschlands. 1918 gab es auf dem Betriebsgelände Düneberg 475 Gebäude und 20.000 Arbeiter und Angestellte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Pulverproduktion laut Versailler Vertrag unterbunden. Viele Gebäude wurden abgetragen, standen leer oder wurden für die Herstellung verschiedener zivile Produkte genutzt.

1935 übernahm die Dynamit Nobel AG, ein Unternehmen der IG Farben, die Anlage. Für Hitlers Kriegsvorbereitung wurde wieder Pulver produziert. Von 1934 bis 1945 wurden auf dem Gesamtgelände, das erheblich nach Westen erweitert worden war, 340 neue Gebäude errichtet. Die Alte Fabrik lag etwa östlich des Heuweges, die Betriebsteile Birke I - IV lagen westlich des Heuweges (Besenhorster Sandberge) und als letzter schloss sich der Betriebsteil Kringel hinter der Marschenbahn an.

ehem. Kontorgebaeude Lichterfelder Straße 20, Geesthacht
Das erste Kontorgebäude der Pulverfabrik Düneberg. Einige weitere Wohngebäude sind im Gebiet »Elbe« erhalten geblieben. (Foto: Jochen Meder, Förderkreis Industriemuseum e.V.)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Produktions- und Lagergebäude gesprengt, rückgebaut und umgenutzt. Im Betriebsteil Elbe entstand das Industrie- und Gewerbegebiet Düneberg Anfang der Siebziger Jahre. In den angrenzenden Wohn- und Verwaltungsgebieten verschwanden architektonisch reizvolle Gebäude, so etwa die frühere Konsumanstalt, die bis 1979 als Gymnasium genutzt wurde, ein Gästehaus und ein Verwaltungsgebäude. Vor einigen Monaten fielen ein Pulverlager und ein Geschützschuppen Neubauten zum Opfer

Alte Fotos und Pläne der Pulverfabrik verdeutlichen die frühere Situation und machen heutige Gebäude und Straßenführungen verständlich. Erhalten sind heute vor allem die Wohngebäude der Fabrik zwischen der Düneberger Straße - Mittelstraße - Waldstraße, im Bereich der Lichterfelder Straße und am Heuweg, sowie einige wenige Fabrikations- und Lagergebäude im Gelände der früheren Fabrik. Der so genannte »Bunkerwald« in den Besenhorster Sandbergen mit seinen zahlreichen zerfallenden Bunkeranlagen gibt eine Ahnung vom Ausmaß der Anlagen, ist aber kein Bestandteil dieses Spaziergangs.

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