»Flagge zeigen gegen AKW«

Einladungsplakat der BSU am Lüttwetter
Einladungsplakat der BSU am Lüttwetter, ergänzt mit einigen Anmerkungen betroffener Bürger
Gestern Abend fand zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit eine Bürgerinformation zum Windkraft-Repowering in den Vier- und Marschlanden statt. In dieser letzten Veranstaltung dieser Art lag der Schwerpunkt auf dem Windpark in Altengamme und dem geplanten Windpark in Curslack. Die BSU hatte eingeladen und auch wie schon die beiden Male davor wieder ein Großaufgebot von Experten mitgebracht. Neben ca. 12 Behördenvertretern inkl. Staatsrat Holger Lange waren auch Vertreter der HAW, von HamburgEnergie und weiteren Institutionen ins Lichtwarkhaus gekommen. Ebenso mehr als 200 Bürger, rund 90 Prozent von ihnen betroffene Altengammer, Curslacker und Bergedorfer.

Wie schon bei den beiden vorangegangenen Veranstaltungen in Ochsenwerder und für Neuengamme hatten die Bürger im Vorfeld die Möglichkeit, ihre Fragen und Wünsche auf Kärtchen für die Metaplan-Tafeln zu schreiben. Im Unterschied zu den Ochsenwerderanern und den Neuengammern meldeten die Bürger dieses Mal einen deutlich höheren Bedarf an grundlegenden Informationen an. Außerdem, und das war neu, gab es nicht nur Fragen, Wünsche und ablehnende Bemerkungen, sondern auch Zustimmung: »Positiv: besser als "alte Energien"« hieß es da und: »Warum nicht höher? Flagge zeigen gegen AKW«.

FNP-Änderung Altengamme-Horst
Aktuelle und geplante neue Eignungsfläche für den Windpark Altengamme, wie am 19.03.2012 vorgestellt.
Die Veranstaltung selbst verlief nach schon eingeübtem Muster wie in zuvor Ochsenwerder und Neuengamme: Nach den einführenden Worten des Staatsrats erläuterten die Planer der BSU (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) die Schritte, mit denen die Eignungsflächen gefunden wurden, gesetzliche und umweltplanerische Grundlagen sowie die Besonderheiten der Standorte Altengamme und Curslack.

LautstärketabelleDie Planungen für das Repowering in Altengamme wurden auf der Grundlage von 150 Meter hohen Anlagen gemacht (100 m Gondelhöhe plus 100 m Rotorradius). So soll die jetzige Fläche so umgestaltet werden, dass neun, möglicherweise auch zehn Windenergieanlagen (WEA) dort stehen können. Da das östliche Ende des Achterschlag und ein Gutteil des westlichen Horster Damms zeitweise von Schattenschlag betroffen sein würden, müssten die Anlagen entsprechend oft angehalten werden. Öfter angehalten werden müssten die Anlagen auch in den Sommermonaten auf Grund der ausgeprägten Fledermausvorkommen.

Der Waldstreifen an der »Wasserkunst« (Wasserwerk Curslack) soll die südliche Begrenzung bleiben; das Gebiet südlich soll frei von WEA bleiben. Dafür wurden drei Gründe genannt: 1. soll der Altengammer Park aus landschaftsplanerischen Gründen optisch deutlich vom Neuengammer Park getrennt bleiben, damit nicht der Eindruck eines großen, zusammenhängenden Windparks entstehe. 2. gibt es auf den Wiesen südlich der Fassungsgräben der Wasserwerke wertvolle Bodenbrütervorkommen, die nicht gestört werden sollen. 3. wird das Areal südlich der »Wasserkunst« als Ausgleichsfläche für die A26 vorgehalten.

Herr Dr. Pickert mit dem Schallpegelmeter
Herr Dr. Pickert maß die durchschnittliche Lautstärke im Sitzungssaal mit dem Schallpegelmeter
Lärm ist Schall, der stört und belästigt
Die Bürgerfragen betrafen hier unter anderem das Thema Lärm. Die Lärmimmissionen von der naheliegenden A25 sind nicht in die Lärmberechnungen eingeflossen, wie der Schall- und Schattenexperte Stefan Mundt angab, weil Emissionen des Straßenverkehrs unter eine andere Lärmschutzverordnung als WEA fallen. Anders die Lärmemissionen der Speditionen, die am Horster Damm angesiedelt sind: Diese Schallquellen summieren sich auf die Emissionen der WEA auf und müssen in der Gesamtberechnung berücksichtigt werden.

Um Schall und Lärm etwas greifbarer zu machen, hatte die BSU einen Schallpegelmeter während der Sitzung aktiviert und die durchschnittliche Lautstärke gemessen. Sie betrug gut 60 dB in diesem großen Saal, in dem die Sprache mit Lautsprechern verstärkt wurde.

Infraschall von WEA: Wie gefährlich ist er wirklich?
Eine große Sorge vieler Bürger ist auch der Infraschall, der bekanntlich nicht hörbar ist, aber dennoch Auswirkungen auf Körper und Wohlbefinden haben kann, sofern der Schalldruck stark genug ist. Herr Mundt gab dazu eine sehr ausführliche Erklärung ab. Demnach müsse auch nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen davon ausgegangen werden, dass besonders sensible Personen unter Umständen durchaus eine gewisse Beeinträchtigung durch Infraschall erfahren könnten. Möglicherweise würden nicht alle neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in den maßgeblichen gesetzlichen Regelwerken berücksichtigt: Sowohl die TA Lärm als auch das Bundesimmissionsschutzgesetz seien eventuell hier nicht auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Gleichwohl seien diese Gesetze die Grundlagen, auf denen die Planbehörde ihre Projekte aufbauen müsse, eine andere Handhabe hätte sie nicht, so Mundt.

Beispiele tieffrequenter Geräusche
Spektren einiger tieffrequenter Geräusche im Verhältnis zur Hörbarkeitsschwelle des Menschen. Quelle: DNR 2011
Eine ausführliche Darstellung der Infraschallthematik, aus der Mundt bei seinen Ausführungen ausführlich zitierte, findet sich beim Deutschen Naturschutzring: Durch WEA verursachte Infraschall-Emissionen Dieser Text beinhaltet auch sehr zahlreiche Hinweise auf medizinische Studien zu den Auswirkungen von Infraschall auf den menschlichen Organismus.

Forschungswindpark Curslack
Im neu geplanten Windpark Curslack plant die HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Bergedorf) einen Mini-Schwarm von fünf WEA mit einer Gesamthöhe von gut 170 Metern. Die 5 Anlagen sollen von einheitlicher Bauart sein, um einen möglichst harmonischen optischen Eindruck abzugeben. Hier soll neben elektrischem Strom auch Wissen erzeugt, also Forschung und Entwicklung betrieben werden. Bei der Visualisierung des Windparks aus verschiedenen Perspektiven erlaubte sich die federführende Planerin, Frau Bruns, eine Ansicht nicht mit 150-m-Anlagen, sondern mit 180-m-Anlagen zu zeigen, ohne dies vorher anzusagen. »Ist Ihnen etwas aufgefallen?«, fragte sie danach, und niemand hatte etwas Auffälliges gesehen. »Das waren 180-m-Anlagen.« Einige der Zuhörer konnten das nicht mit Humor nehmen. Sie fühlten ihr Urteil bestätigt, dass Politik und Verwaltung tricksen und täuschen, wenn es um die Durchsetzung von Plänen gegen den ihren Willen geht. Die Professoren Beba und Dalhoff, HAW, erläuterten kurz die Pläne für den Forschungswindpark aus ihrer Sicht und ihre Hoffnung, die High Tech-Entwicklung von Bergedorf unterstützen zu können.

Neue Bürgerinitiative in Altengamme gegründet
Gegen Ende der dreieinhalbstündigen Veranstaltung erhob sich eine Dame aus dem Publikum und klebte ein DIN A3-Blatt an die Tür, durch die alle den Saal verlassen mussten: »Bürgerinitiative Altengamme 26.03.2012, 19 Uhr, im Gasthaus Schween«. Gemessen am Gegenwind, den die BSU und die Repowering-Pläne auch an diesem Abend bekamen, könnte die BI Altengamme ordentlich Zulauf erhalten und der Saal bei Schweens voll werden.

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Deutlich weniger Bürgeranmerkungen als in Ochsenwerder und auch deutlich differenzierte Haltungen zeigten sich an den zwei Metaplan-Tafeln.
Deutlich weniger Bürgeranmerkungen als in Ochsenwerder und auch deutlich differenzierte Haltungen zeigten sich an den zwei Metaplan-Tafeln.
Anhang: Die Fragen, Wünsche und Einwände der Anwohner in Altengamme, Curslack, Bergedorf und Ochsenwerder auf den Metaplan-Tafeln

  1. Gesundheit
    • Gesundheitliche Belastung: Können Sie versichern, dasß die akkustischen Pulse energiereicher Tonwellen, welche bei Betrieb von den Turbinen ausgehen, bei geplanten geringen Abstand < 1500 m zum nächsten Haus keine vistibulären und somatischen Beschwerden hervorrufen? Schwingungsgefühle, Reinzbarkeit etc. = WTS [Wind Turbine Syndrome] (Experiment Infrasonic)
    • Gesundheitliche Probleme?
    • Infraschall schädlich?


  2. Technische Fragen
    • Netzausbau
    • Welche Umweltgeräusche wurden bei Lärmberechnung berücksichtigt?


  3. Verfahren, Einflußmöglichkeiten, Termine
    • Wie läuft das Verfahren ab?
    • Bürger-Infos: Einfluß auf Verfahren?
    • Wertverlust Grundstücke: Ausgleich?


  4. Standortwahl
    • Standortfrage: Zwischen Deich und Horster Damm?
    • Standortwahl?
    • Warum Eignungsgebiete nicht weiter südlich?


  5. Info-Politik
    • Grundinformation
    • Standorte
    • Verfahrensstand
    • Bürger nicht informiert!
    • Wer ist betroffen?
    • Rückbau alter WEA?


  6. Abstand zur Wohnbebauung
    • Abstände zur Wohnbebauung - Grundlage 300 m Abstand?
    • Abstände: Wie groß?
    • Gleichbehandlungsgesetz? offhore/Land
    • zu dicht! 500 m zur Wohnbebauung
    • Genug Abstand? 500 m zu wenig!


  7. Beinträchtigung
    • Infraschall
    • Lautstärke der höheren Anlagen
    • Schatten - wie weit?
    • Warum werden negative Einflüsse verheimlicht?
    • Warum nicht kleiner?
    • Auswirkung der Planung auf bestehende Flächen?


  8. Höhe
    • Werden die Anlagen höher als geplant?
    • Niedriger, dafür mehr WKA?
    • Warum nicht höher?
    • Flagge zeigen gegen AKW


  9. Allgemeine Diskussion
    • Positiv: besser als "alte Energien" (Umweltschutz)
    • Ungerechte Verteilung: Bürger müssen beteiligt werden.


Die Flyer und die Präsentationen der BSU zu den 4M-Eignungsgebieten hat die BSU ins Netz gestellt:
www.hamburg.de/flaechennutzungsplan/3297788/2012-windenergie-bergedorf2.html

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