Festakt eröffnet Bergedorfer 850-Jahr-Jubiläum

Angela Braasch-Eggert und Dr. Christoph Krupp
Sie feierten mit den Hunderten anderen Gästen: Die stellvertretende Bezirksamtsleiterin Angela Braasch-Eggert, der Chef der Senatskanzlei Dr. Christoph Krupp und die blumige 850 vor dem Bergedorfer »Haus im Park«
Am Montag-Nachmittag ist in »Haus im Park« im Bergedorfer Gräpelweg das 850-jährige Stadtjubiläum der eigenwilligen Schönheit, die Bergedorf nun einmal ist, eröffnet worden. Dazu gönnten Bezirksamtsleiter Arne Dornquast mit seinen zahllosen Helfer und viele freundliche Sponsoren den mehr als 400 geladenen Gästen ein unterhaltsames Programm, an dem sicher mehr als 850 Stunden gefeilt, organisiert und geprobt worden war.

Die schöne Veranstaltung wurde moderiert von Anke Harnack und verziert von einer musikalischen Zeitreise von Händel, Hasse, Brahms, die Professor Hochstein und Christine Canstein entwickeltund mit dem Vokalensemble von der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und den hiphoppenden Gyloh Teens. Durchbrochen wurde die Zeitreise nach Noten von fünf Reden von drei Bürgermeister und zwei Historikern. Diese gaben einen bunten Einblick in die lange Geschichte, die Bergedorf schon hinter sich hat, und waren durch humorige und ironische Einsprengsel höchst unterhaltsam. Gekrönt wurden die knapp zwei feierlichen Stunden von einer grandiosen, dreistöckigen Geburtstagstorte. Über und über mit Sahne verziert und mit schokoladenüberzogenen Eistüten, die umgekehrt auf die Torten gestellt waren wie die Zinnen einer Burg, die symbolisiert wurde von schokoladentafelgroßen Wappen aus der Zeit der »beyderstättischen Herrschaft« durch Hamburg und Lübeck – den halben Greif und die halbe Hammaburg Seit' an Seit'. Margret und Hans-Otto Lang brachten als Vierländer Paar die Torte auf die Bühne. Mit ihrer Vierländer Tracht setzten sie den farbigsten Akzent der Feierlichkeit, die soviel zum Hingucken bot, dass das mehr als ein Fotoalbum füllen könnte.

Bürgermeister Saxe von Lübeck und Bürgermeister Scholz von Hamburg
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz wünschte dem Stadtteil Bergedorf, diesem »Flecken in der amphibischen Landschaft der Kimbrischen Halbinsel«, im Namen des Hamburger Senates alles Gute und dass es auch in den nächsten Jahrzehnten »prächtig gedeihen« möge. Er freute sich, auch seinen Amtskollegen aus Lübeck zu sehen, der Stadt, mit der Hamburg eine jahrhundertealte Freundschaft verbinde, an der auch Bergedorf bekanntlich seinen Anteil hat. Scholz lobte das Jubiläumsprogramm, richtete den Blick aber auch in die Zukunft und auf die Ziele, die Bergedorf »ins Visier« genommen habe. »Nun, ich denke da zunächst an das eigenständige Betreiben des Schlosses, aber auch die Weiterentwicklung von Lohbrügge und die Internationale Gartenschau 2013.« Zum Dank für seine Rede überreichte Moderatorin Anke Harnack dem Bürgermeister ein großes beiderstädtisches Wappen aus Zartbitterschokolade.

Bürgermeister Bernd Saxe von Lübeck rollte die gemeinsame Geschichte der beiden Hansestädte auf und sprach über Lübecks Rolle in Bergedorfs Geschichte. In der Zeit von 1420 bis 1867 herrschten Lübeck und Hamburg gemeinsam über Bergedorf, eine staatsrechtlich äußerst ungewöhnliche Konstruktion, die sich Kondominium (Gemeinherrschaft) nennt. Dazu gekommen war es, weil sich ein Spitzbube namens Erich der Vierte von Sachsen-Lauenburg Bergedorf unrechtmäßig angeeignet hatte. Beide Hansestädte hatten etwas dagegen, hieß das doch, dass ihre Handelswege behindert wurden. So kam es ab 1400/1401 zunehmend zu Unruhen und Streit und 1420 schließlich zum Sturm auf das Bergedorfer Schloss. »Auch der schöne Schlosspark wurde zertrampelt.«, wusste Saxe zu berichten und dem Zuhörer stiegen wohl innerlich Bilder vom zertrampelten Schlosspark auf, wie es sie demnächst wieder geben könnte, wenn der Sturm aufs Schloss nachgespielt wird. Mit dem Perleberger Frieden, so Saxe weiter, sei 1420 die beiderstädtische Herrschaft besiegelt worden und sie sollte erst enden, als Hamburg Lübeck Bergedorf im Jahr 1867 für 600.000 Taler abkaufte. Ob das für Lübeck ein gutes Geschäft war, fragte sich Saxe, auf jeden Fall sei die 447-jährige Zeit des Kondominats für Lübeck von Vorteil gewesen, weil Lübeck auf diese Weise bei Bau der für es wichtigen Eisenbahnstrecke Hamburg-Berlin mitreden konnte. Dafür konnte Saxe auch ein großes Stück Zartbitterschokolade in Wappenform mit nach Hause nehmen.


Dr. Olaf Matthes, Leiter des Museums für Bergedorf und die Vierlande, und Professor Torkild Hinrichsen, Direktor des Altonaer Museums
Zwei Historiker verhalfen der Jubelfeier zum nötigen geschichtlichen Background: Dr. Olaf Matthes, Leiter des Museums für Bergedorf und die Vierlande, und Professor Torkild Hinrichsen, Direktor des Altonaer Museums. Beide Vorträge waren auf ihre Art fesselnd. Dr. Matthes verzichtete darauf, die kleine Geschichtsstunde zu wiederholen, die er schon im Programmheft geschrieben hatte, wo sie jeder nachlesen konnte und wie sie schon oft erzählt wurde. Stattdessen gab er eine interessante Erläuterung über das Jubiläum an sich. »Jubiläum« leitet sich vom hebräischen »jowel« ab, mit dem immer nach sieben mal sieben Jahren die Freilassung von Sklaven gefeiert wurde. Über die Jahrhunderte wurde das Jubeljahr, später Jubiläum, mit immer anderen, der jeweiligen Epoche entsprechenden Bedeutungen belegt. Heute wird der Begriff so breit verwendet, dass seine ursprüngliche Ausprägung und Bedeutung geradezu vergessen sind. Selbst Schuhgeschäfte feiern Jubiläen, und manche Jubiläen werden alle Jahr aufs Neue begangen. Und manchmal dauert ein Jubiläum auch monatelang, so wie das, das Bergedorf im Jahr 2012 für Bergedorf feiert.

Prof. Hinrichsen gab das ländliche Gegenstück zum stadtbezogenen Text von Dr. Matthes und auch er wandelte das ab, was von ihm im Programmheft nachzulesen ist, und setzte situative Akzente. Angeregt durch den Programmpunkt vor seinem kleinen Referat, dem Chorvortrag des Brahms'schen Stückes »Vineta«, bezeichnete er Bergedorf als »unter Niveau«. Und bevor jemand etwas Falsches denken konnte, erklärte er, wie die Vier- und Marschlande als künstliche, von Menschenhand geschaffene Marsch immer mit der Maßgabe gestaltet wurden, vor Überschwemmungen sicher zu sein – etwas, was man vom Städtchen Bergedorf nicht behaupten kann. Denn Bergedorf liegt unter Niveau. Was man ja jüngst auch wieder habe sehen können. Aus der Geschichte zu lernen und zu schauen, wie die Alten es gemacht haben, das kam unausgesprochen überdeutlich heraus: Beim Bauen in der Marsch die richtigen Materialien verwenden, die richtige Bauart auch, das passe sich nicht nur bestens ins bestehende Bild ein, sondern sei auch die beste Art, in diesem dauernassen Marschgebiet zu bauen. Eine leise Kritik an den Blüten, die der Bauboom auch im Landgebiet zuweilen treibt? Offen gesagt hat er es nicht, ebensowenig, wie er es offen kritisiert hat, dass die Mechanismen, mit denen Dorfgemeinschaften heute noch funktionieren, von den Zugezogenen nicht nur erst gelernt, sondern auch gelebt werden müssten. Gemeinsinn und Gemeinschaft, so funktioniert das und die Frage, in die Feuerwehr einzutreten, stellt sich erst gar nicht. »Wenn Ihr Haus brennt, dann löscht es sich nicht von alleine.« Die Botschaft war klar: Ohne Gemeinschaft ist der Einzelne schnell verloren.

Für ihre Reden bekamen die beiden Wissenschaftler schön anzusehende Blumensträuße. Und dem Professor schien die CO2-Bilanz von Schnittblumen genauso wichtig zu sein wie das funktionierende dörfliche Miteinander und so ging er nochmal zum Mikrofon. Mit gerunzelter Stirn erklärte er: »Dieser Blumenstrauß hier, die Gerbera kommt aus einem Vierländer Gewächshaus, das ist okay, diese Rosen vielleicht aus Italien, das geht grade noch so, aber diese hier (deutet auf die weißen Lilien), wo die her kommen, bestimmt von ganz weit her mit dem Flugzeug.« Es wurden im Laufe der Feier noch mehr Blumensträuße verteilt und die kamen dann kurzerhand »aus aller Welt«.


Margret und Hans-Otto Lang
Margret und Hans-Otto Lang
Feierlich schnitten die drei Bürgermeister die dreistöckige Geburtstagstorte an: Bernd Saxe, Olaf Scholz und Arne Dornquast (v.l.n.r.) Im Hintergrund das Vierländer Paar Margret und Hans-Otto Lang.
Feierlich schnitten die drei Bürgermeister die dreistöckige Geburtstagstorte an: Bernd Saxe, Olaf Scholz und Arne Dornquast (v.l.n.r.) Im Hintergrund das Vierländer Paar Margret und Hans-Otto Lang.
Das Beste zum Schluss kam in Form der mit Spannung erwarteten Geburtstagstorte, die das Schlosscafé La Note spendiert hatte. Mucksmäuschenstill war der Saal erst und dann ein »Ah« und »Oh«, als das Vierländer Paar Margret und Hans-Otto Lang aus Neuengamme, herausgeputzt in Vierländer Tracht, den geschmückten Tisch mit der dreistöckigen Torte darauf auf die Bühne rollten.

Nachdem man die Torte gebührend bestaunt hatte, wurden die drei Bürgermeister mit Messern ausgestattet. Sie sollten damit zunächst nur posieren, damit der Hamburger Starfotograf Michael Zapf DAS Erinnerungsfoto schießen konnte. Die Presse, angewiesen auf ihr Zeichen zu warten, um auch den Tortenanschnitt fotografieren zu dürfen, hatte den Schuss gehört, bevor er fiel und stürmte die Bühne zu früh. Nach einem kurzen Tumult, den Moderatorin Harnack gekonnt beendete, machte der Hoffotograf sein Foto, ging das Programm wie geplant weiter und die Torte wurde schlussendlich wirklich angeschnitten. Olaf Scholz musste danach sofort zum nächsten Termin eilen und bekam ein Stück Torte in einer der knallroten »Bergedorf Shopping Vielfalt«-Tüten mit.

Wer nicht in den exklusiven Genuss der Torte an diesem Tag gekommen ist, kann trotzdem davon kosten: Inga Rump, Tortenbäckerin und Betreiberin des Schlosscafé La Note wird die Jubiläumstorte für den Rest des Jahres in ihrem Café anbieten.


Damit war der förmliche Teil der Feier beendet, Torte und Gäste wechselten ins Foyer des Haus im Park, wo sich letztere über die Torte hermachten oder sich am Flying Buffet gütlich taten und mit Bergedorfer Bier (gebraut in Altona) oder Rotspon den Durst löschten und noch fröhlich stundenlang weiterfeierten.

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Die umfassendste Information zu den vielen Veranstaltungen, Ausstellungen etc. im Rahmen der 850-Jahr-Feier steht auf der Bergedorf-Website.
Und um wirklich nichts zu versäumen, empfiehlt sich: Kostenlosen 850-Jahre-Newsletter von bergedorf.de abonnieren.

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