Fracking in Südholstein: Demnächst auch auf einer Wiese in Ihrer Nähe?

Wartung an einer Gasbohrung.
Wartung an einer Gasbohrung.
Theoretisch denkbar ist es schon, dass in absehbarer Zeit Bohrtürme in unserer unmittelbaren Nähe auftauchen. Um Löcher in die Erde zu bohren, ungefähr 2 Kilometer tief. Und um da dann, wenn eine Lagerstätte von Erdgas oder Erdöl zu vermuten ist, ein bisschen im Untergrund zu sprengen und dann vielleicht auch noch sehr große Mengen Trinkwasser, Sand und tonnenweise Chemikaliencocktails, vielleicht auch ein bisschen verpresstes CO2 in diese Löcher zu pressen, um im Untergrund viele Meter lange Risse aufzuknacken und damit den Untergrund durchlässiger für die begehrten Bodenschätze zu machen - ein Verfahren, das hydraulic fracturing oder einfach Fracking heißt. Solche Bohrungen könnten, rein theoretisch, zum Beispiel im Vossmoor passieren. Oder zwischen Horster Damm und Börnsen. Oder in Hohenhorn, wo bis in die 1950er-Jahre Öl gefördert wurde. Oder unweit vom Krümmel. Oder sonst irgendwo in der südlichen Hälfte des Kreises Herzogtum Lauenburg, offiziell bezeichnet als »Erlaubnisgebiet Schwarzenbek«. Denn dieses Gebiet ist eins von drei Arealen, für die die kanadische Firma PRD energy Inc., eine Tochter der Exxon Mobile, beim zuständigen Bergamt in Clausthal-Zellerfeld um »Erlaubnis zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen« ersucht.

Zur Information und Diskussion des bei uns hier noch neuen Themas Fracking und der bekannten Planungen von PRD und Bergamt sowie Aktivitäten in anderen betroffenen Gebieten wird am 27. November 2012 um 19:30 Uhr eine Informationsveranstaltung im »Markttreff« in Gülzow stattfinden, die der ehemalige Gülzower Bürgermeister und stellv. Landrat Günther Noß und die CDU-Fraktion in Gülzow organisieren. Dr. Carl-Heinz Schulz von der Unteren Umweltbehörde in Ratzeburg wird als Referent erwartet.

Karte PDR-Frackinggebiete NorddeutschlandDie Claims werden abgesteckt: Exxon-Mobiles Tochter PRD rechnet mit drei neuen Gebieten zum »Aufsuchen von Kohlenwasserstoffen« in Holstein.
»Erlaubnis zum Aufsuchen von Kohlenwasserstoffen« - Fred Brinkmann vom Landesamt Bergbau, Energie und Geologie, kurz LBEG oder einfach Bergamt in Clausthal-Zellerfeld, verwahrt sich dagegen, hier schon den Begriff »Fracking« einzusetzen, denn zunächst soll es beim Antrag von RDF um die Erkundungen der Erdgas- und Erdölpotentiale gehen. Entsprechend tauchte »Fracking« auch gar nicht in dem Schreiben [PDF] auf, das das Bergamt dem Umweltministerium in Kiel Anfang September schickte, mit der formalen Bitte um Stellungnahme. Das Bergamt beschreibt darin ganz unverfänglich das beantragte Vorhaben von PRD und unterrichtet Kiel, dass es die vorgesehen Arbeiten »als angemessen und sinnvoll« ansieht und die Erlaubnis dazu erteilen will, »falls nicht überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Erlaubsnisfeld ausschließen.« (Hervorhebung im Original)

Möglicherweise hat das Bergamt mit seiner feinen Wortwahl nicht damit gerechnet, dass überhaupt jemand merkt, dass hier ein Öl-Multi (Exxon Mobile) versucht, weitere Claims für sich abzustecken, die er ohne Rücksicht auf Mensch und Natur ausbeuten kann. In Niedersachsen ist u.a. PRD bzw. Exxon Mobile seit mehreren Jahren im größeren Stil dabei, eine sogenannte unkonventionelle Methode (also Fracking) bei der Ausbeutung von Erdgas anzuwenden, und zwar nicht immer unfallfrei.

Für PRD ist Deutschland »A perfect fit«, wie sie es im letzten Monat in einer Businesspräsentation [PDF] formulierten. Deutschland zeichne sich durch eine günstige Gesetzgebung und Infrastruktur aus, man habe mit willigen Bürgermeistern zu tun und vor allem mit noch viel unerschlossenem Gas- und Ölpotential. Mit einem freundlich gesonnenen Bergamt als Zulassungsbehörde, einem zentralistischen Bergrecht, das Bürgern wie lokaler Verwaltung wie Landesministerien wenig bis kein Mitspracherecht einräumt, und dem ansehnlichen Profit, der da winkt, ist PRD jetzt schon dabei, Personal zu rekrutieren. Mit Hilfe der TU Clausthal-Zellerfeld bzw. deren fast durchgehend von der Industrie gesponsorten »Institut für Erdöl- und Erdgastechnik« sucht COO Mark Hornett für die PRD energy GmbH Verstärkung für das neu aufzubauende Deutschland- und Europageschäft.

Aber trotz der unverfänglichen Wortwahl des Bergamts gingen die roten Warnlampen bei den Holsteinern an. Der Abteilungsleiter der Unteren Umweltbehörde in Ratzeburg, Dr. Carl-Heinz Schulz, und der Lauenburgische Landrat Gerd Krämer rochen die Lunte. Sie wollen jetzt auf jeden Fall erreichen, dass in ihrem Verantwortungsbereich kein derartiger Abbau von Gas und Öl zugelassen wird. »Der Kreistag des Kreises Herzogtum Lauenburg lehnt mit Nachdruck das sogenannte Fracking-Verfahren zur Erdgasgewinnung (...) und bereits die Suche nach unkonventionellen Erdgasvorhaben auf seinem Kreisgebiet ab.« - diese Beschlussempfehlung des Ausschusses für Energie, Umwelt und Regionales an den Kreistag verfasste Schulz.

Der Ausschuss für Energie, Umwelt und Regionales im Lauenburgischen stimmte der Empfehlung Ende Oktober parteiübergreifend einstimmig zu und stellte fest, »dass der Einsatz von wassergefährdenden Substanzen für die Gewinnung von Erdgas oder Erdöl nicht hinnehmbar ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um den Einsatz in, an oder abseits von Wasserschutzgebieten geht. Eine großflächige Zerstörung des Untergrundes mit heute nicht absehbaren Folgen ist nicht hinnehmbar.« Allein, »die Verwaltung ist in dieser Sache ein zahnloser Tiger«, wie Schulz bedauert. »Mit einem Bergrecht aus Kaisers Zeiten« haben weder Kreisverwaltungen noch Landesministerien irgendeine wirkliche Macht. Zumindest unter der Erde herrschen Wild-West-Methoden, gegen die sich - anderswo - Widerstand auch in Form von Bürgerinitiativen regt.

Mann zündet Wasser aus Wasserhahn an
Mit Fracking-Flüssigkeit verunreinigtes Trinkwasser kann brennbar sein (Szenenfoto aus »Gasland«, U.S.A.
Fracking ist eine Hochrisikotechnologie, die im Zweifelsfall unkontrollierbare Folgen hat (Kurzfilm anschauen). Sie kann, so zeigen die Erfahrungen, gravierende Umweltverschmutzungen mit sich bringen. Darüber hinaus ist bekannt, dass sie Erdbeben erzeugen kann. Das Bergamt hat zur näheren Erforschung dieser Zusammenhänge unlängst zusammen mit Exxon Mobile das seismische Überwachungsnetz erweitert.

Der Dokumentarfilm »Gasland« berichtet Erfahrungen aus den USA, in denen Fracking in weit größerem Maßstab als in Europa betrieben wird. Dort sei es schon vorgekommen, dass der Giftcocktail der Fracking-Flüssigkeit eben nicht sicher vom Grundwasser abgeschirmt werden konnte und das Trinkwasser verseuchte, sodass die Wasserhähne brannten. Aber auch in Deutschland mussten schon solche Erfahrungen mit dieser Technologie gemacht werden. In Söhlingen, Landkreis Rotenburg/Wümme, sind offenbar bereits giftige Substanzen ins Grundwasser gelangt, wie der NDR 2011 aufdeckte.

Söhlingen ist auch insofern ein gutes Beispiel, als von diesem Fracking-Feld verhältnismäßig viel Information verfügbar ist. Unter anderem gibt die Drucksache des Niedersächsischen Landtages 16/3591 nicht nur die Zusammensetzungen der Frac-Flüssigkeiten des Erdgasfeldes Söhlingen wieder, sondern auch die eingesetzten Mengen von Wasser, Sand und Chemikalien. Demnach sind in Söhlingen zwischen 1982 und 2011 in 21 Bohrlöchern 52 Fracs durchgeführt worden. Insgesamt wurden lt. der Drucksache gerundet 23.300 m³ Wasser (entspricht einem Zehntel der Jahresförderung des Wasserwerks Curslack), etwa 220 Tonnen verpresstes CO2, rund 6.700 Tonnen Sand oder industrielle Keramikkügelchen und insgesamt 2247,803 Tonnen Chemikalien in den unterschiedlichsten Kombinationen verbraucht. Der Gewichtsanteil der Chemikalien an allem, was in Söhlingen bis dahin verpresst wurde, beträgt somit fast 7 % und überschreitet die Geringfügigkeit, die von Betreiber- und von Amtsseiten so oft betont werden, um ein Vielfaches. Unter den in Söhlingen oder anderswo eingesetzten Chemikalien und Chemikalienzubereitungen befinden sich nachweislich krebserregende Substanzen; weitere Substanzen stehen auf der REACH-Liste der bedenklichen Substanzen, die nicht in die Umwelt gelangen dürfen, weil für sie z.B. Wassergefährdung, Teratogeniät (Fehlbildungen beim Ungeborenen hervorrufend) und/oder Reproduktionstoxizität (die Fruchtbarkeit störend) festgestellt wurde.

Nicht nur Bedenken wegen des massiven Einsatzes von teils hochgefährlichen Chemikalien, sondern auch viele andere Fragen hängen am vorgesehenen Fracking in unserer unmittelbaren Nachbarschaft: Das verwendete Wasser, üblicherweise Trinkwasser aus dem örtlichen Netz, wo sollte das hergenommen werden, ohne die Trinkwasserversorgung zu gefährden? Wie könnten Heilwasserquellen wie in Friedrichsruh sicher geschützt werden? Wie könnten die Grundwasserleiter, aus denen u.a. auch Hamburgs Wasser gezogen wird, sicher vor Vergiftung bewahrt werden? Was würde mit den abfallenden Flüssigkeiten passieren? (20 bis 80 Prozent der Frac-Flüssigkeit werden aus den Bohrlöchern zurückgeholt und entweder aufbereitet oder in andere Löcher in den Untergrund gedrückt. Dort kann sie, wie in den FAQs beim Bergamt nachzulesen steht, in den umliegenden Grund diffundieren und erheblichen Schaden anrichten, ein Umstand, der hinzunehmen ist, wenn man dem Bergamt folgt?) Und: Wie kann es angehen, dass das Bergamt, in quasi Alleinherrschaft, vorbei an betroffenen Ländern, Gemeinden, Wasserwerken, Boden-, Naturschutz- und Umweltämtern etc. derart industriefreundlich handelt, ohne dass gravierende Risiken ausgeräumt und ohne dass mögliche Langzeitfolgen bekannt, geschweige denn vermieden werden?

Eines haben Schulz, Krämer und ihre Mitstreiter inzwischen jedenfalls erreicht: Bis in die kleinen Gemeindeverwaltungen hinein wie z.B. in Escheburg ist der Begriff Fracking in den letzten Wochen gelernt worden. Und es es wächst der Widerstand des erwähnten zahnlosen Tigers. Von seiten der Presse und der Bürger ist in der Metropolregion Hamburg noch wenig zu hören und auch die Naturschutzverbände müssen wohl erst noch denken, bevor sie sich äußern.

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