Giersch: Regionale Gemüsedelikatesse

Junge Gierschblätter auf einem TuchHier in der Elbmarsch, auf dem fetten, feuchten Boden, im lichten Schatten der noch laublosen Bäume und Büsche an Grabenkanten und anderswo, ist er einer der ersten, der zu sprießen beginnt: Der Giersch. Den meisten Gärtnern ist er ein rotes Tuch, der Inbegriff von »Unkraut« schlechthin. Der Giersch hat einen schlechten Ruf, weil er zumeist auf seine Eigenschaft als Störenfried der gärtnerischen Ordnung reduziert wird.

Völlig zu Unrecht ist seine Haupteigenschaft in Vergessenheit geraten: Als äußerst köstliches Wildgemüse dem Menschen als Nahrung zu dienen. Der Giersch, überbordend reich an Vitaminen und Mineralien, ist von feinem Geschmack und lässt sich in unzähligen Variationen zubereiten. Damit ist das »Zipperleinskraut«, wie der Giersch auch heißt, genau das Richtige für die zeitgemäße, kreative Küche, die nichts dagegen hat, ganz nach Paracelsus, die Nahrung durchaus auch als Medizin anzusehen. Im Frühjahr verzehrt, hilft er die Wintermüdigkeit auf zweierlei Art aus den Knochen zu vertreiben: Durch seine entschlackenden, anti-entzündlichen, ausgleichenden Wirkungen und dadurch, dass man sich bei der Ernte ordentlich bewegen muss. Fleißiges Ernten hilft zudem, die Gierschinvasion im eigenen Garten in Schach zu halten und ist tausendmal besser, als dem Kräutlein mit Gift zu Leibe zu rücken.

Schon die alten Römer schätzten den Giersch im Salat, in europäischen Königshäusern soll das wohlschmeckende Gierschgemüse als Delikatesse gegolten haben. Ärzte und Heilkundige wussten schon im Altertum, dass das Kraut Rheumatismus und Gicht lindern kann. Schaut man sich die Inhaltsstoffe des Giersch an, wie sie das Labor der Staatlichen Forschungsanstalt für Gartenbau Weihenstephan analysiert hat, erkennt man einen basischen pH-Wert und jede Menge an Vitamin C und wertvollen Mineralien. Es verwundert daher nicht, dass Hildegard von Bingen das Wesen des Giersch als »unbändig und stärkend« beschrieb und ihm den Namen Viriditas (Grünkraft) gab.

Ein Blick in den Heilpflanzenkatalog verrät, wie der Giersch als Heilmittel innerlich und äußerlich gegen Rheuma und Gicht angewandt werden kann; Rezepte für Tees, Umschläge und auch gute Kochrezepte inklusive.

Die »Vierländer Gierschsuppe« geht schnell und einfach und schmeckt Alt und Jung:

Sie brauchen Kartoffeln, Gierschblätter (ca. 1 Handvoll pro Person; am besten junge, noch glänzende Blätter sammeln), saure Sahne oder Crème fraîche oder ein Stück gute Butter.

Die Kartoffeln schälen, klein würfeln und in Salzwasser fast gar kochen. Die gewaschenen, trockengeschleuderten und grob gehackten Gierschblätter dazugeben und kurz mitkochen. Vom Feuer nehmen und mit dem Pürierstab eine schöne, sämige Suppe herstellen. Ggf. mit Milch oder Sojamilch verdünnen. Am Schluss die Sahne einrühren - fertig! Nachsalzen erübrigt sich, weil der Giersch von sich aus viel Aroma mitbringt.



Zwei wichtige Hinweise:

1. Medizinische Informationen in diesem Artikel ersetzen nicht den Arzt. Wenn Sie rheumatische Erkrankungen/Gicht mit Giersch behandeln wollen, dann tun Sie das am besten in Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt!

2. Die Gierschpflanze kann leicht mit dem Schierling verwechselt werden. Der Schierling ist sehr giftig! Zwei untrügliche Zeichen zur Unterscheidung sind a) der Geruch (der Schierling stinkt nach Mäuseurin) und b) der Stängel: Schierling hat runde Stängel, Giersch dreieckige. Beim Pflücken der Gierschblätter also stets auf den dreieckigen Stängel achten.

Gierschfeld
Überlässt man den Giersch sich selbst, eroberte er in Jahresfrist neues Terrain. Gern steht er in Gesellschaft mit Brennnesseln, Kratzdisteln und, wie hier, mit Waldtulpen (Tulipa silvestris), einer geschützten Pflanze (Rote Liste), die sich in Vierlanden glücklicherweise wieder ausbreitet.


NACHTRAG: Eine alte Tradition und Spezialität ist die Gründonnerstagssuppe, auch Neun-Kräuter-Suppe, die am Ende der Fastenzeit verzehrt wird. Wer einmal im Frühjahr so ein Süppchen gegessen und erfahren hat, was für Kraftpakete die frühen Kräutlein sind und wie erfrischend sie wirken, der möchte sie in keinem Jahr mehr missen. Die Mitarbeiter des Botanischen Sondergartens in der Walddörferstraße haben diese Erfahrung offenkundig auch gemacht, denn sie bieten saisongerecht Suppenkurse an. Speziell zur Gründonnerstagsuppe kann man sich am 5. April 2012 um 16 Uhr kundig machen.

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