Was haben Paris und Altengamme gemein?

Borghorster Elbwiesen während des Frühjahrshochwassers 2011Paris. Mit ordentlich Klappern, das gehört schließlich zum Handwerk, war Bürgermeister Scholz die Tage nach Paris zur «Paris Air Show» gereist. «Major Tom» Enders, der Deutschland-Chef von Airbus, war auch da. In Paris konnten die beiden einen tollen Erfolg für den Luftfahrtstandort Hamburg verbuchen. Die Firma Airbus habe den größten Auftrag der Luftfahrtgeschichte an Land gezogen, heißt es. Gut für Airbus, ein Unternehmen der EADS-Gruppe, die Kriegsgerätschaften und auch Flugzeuge für den zivilen Luftverkehr herstellt. Gut für Hamburg, großer Standort der Airbus-Produktion, denn das schafft Arbeitsplätze, wird uns immer wieder gesagt..
Auch ohne den zukunftssichernden Auftrag aus Paris befand sich Airbus bereits auf Höhenflug. Dafür hat Major Tom inzwischen ein Händchen. Dass Airbus finanziell sehr gut dasteht, sehen auch die Beschäftigten. Vor allem die, die selbst nicht so gut dastehen. Am 8. Juni veranstalteten sie daher an den Standorten Bremen, Stade und Hamburg einen «Aktionstag für einen Zukunftstarifvertrag bis 2020». Dort forderten sie die Geschäftsleitung des Unternehmens auf, Jobs und sichere Standorte zu garantieren, wie die IG Metall schreibt. Vier von zehn Beschäftigten bei Airbus Deutschland seien Leiharbeiter oder kämen von Fremdfirmen, Arbeitsverträge würden bis maximal 2012 geschlossen, weiß die Frankfurter Rundschau. Sowas erklärt – auch – wie so eine Firma wie Airbus und ihre Shareholders zu Reichtum kommen.

Und was hat das nun alles mit Altengamme zu tun? Dem Altengamme, das so weit im Hamburger Osten liegt wie das Airbus-Gelände im Westen?

Altengamme soll für Airbus herhalten. Denn als Airbus Ende des letzten Jahrtausends nach einer geeigneten Produktionsstätte für das Riesenflugzeug A380 suchte, buhlten Hamburg und sein damaliger Bürgermeister Voscherau um den Zuschlag. Und sie bekamen ihn. Als Zugeständnis wurde ein Teil des «Mühlenberger Lochs» zugeschüttet, um dort die Startbahn zum Test des Mega-Flugzeugs zu schaffen.

So musste ein wertvolles Naturschutzgebiet einem Industriebetrieb weichen und nach EU-Recht muss das verlorene Biotop durch Hamburg kompensiert werden. Dies ist zehn Jahre später immer noch nicht geschehen, die EU ist längst ungeduldig und Hamburg unter Druck. Politik und Verwaltung wollen nach mehreren gescheiterten Anläufen das Thema endlich vom Tisch haben und den geforderten Ausgleich auf den Borghorster Elbwiesen in Altengamme, Escheburg und Geesthacht schaffen – ein Plan, der außerhalb der Führungsetagen nicht immer auf Zustimmung stößt, weil er Einbußen bei Lebens- und Wohnqualität der Anwohner bedeutet.

Major Tom hat längst seine Schäfchen im Trockenen: Airbus wächst und gedeiht auf dem Mühlenberger Loch und die Aktionäre freuen sich, dass es wieder eine ordentliche Dividende gab. Die in Altengamme, Escheburg und Geesthacht indes fürchten sich vor nassen Füßen und vor privaten finanziellen Einbußen, wenn das Kompensationsprojekt in den Borghorster Elbwiesen nicht verhindert werden kann.

Mehr über die schon sieben Jahre dauernde Auseinandersetzung bzgl. der Wiedervernässung der Borghorster Elbwiesen bei der «Bürgerinitiative Vossmoor»:
http://bi-vossmoor.de/

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Kommentare

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Ripoche am :

Gute Zusammenfassung der Historie, wichtig wäre zu schreiben das bereits vor 2, 3 Jahren Airbus zugeben mußte das die Finanzmisere nur dadurch zu bekämpfen geht wenn die Flieger nicht mehr in EU Raum gebaut werden: mann muß dazu wissen : die Flugzeug Industrie wird ausschließlich über die Dollar Währung abgewickelt! Die IG Metall weisst das schon lange und ist deswegen verunsichert...Sarko. un Co. sind aber schon einen guten Stück weiter und haben bereits mit den Chinesen Produktions Genehmigung und Baustandorte definiert...Die Verträge sind sicherlich schwer angreifbar...Hauptsache die Führungskräfte bleiben in Ihren Sesseln... nach uns die Sinnflut. Danke für den schönen Artikel. J-J. Ripoche

C.Schomann am :

Danke für den Kommentar. Es gibt unzählige solcher Details, von denen jedes einzelne Empörung hervorrufen muss. Die Geschichte um den Hamburger Airbus-Skandal würde mehrere Bände füllen und sie ist so unglaublich, dass der besorgte Bürger mit den Ohren schlackert und denkt, er lebe in einer Bananenrepublik!

Die ersten fünf Jahre der skandalösen Geschichte um das Mühlenberger Loch und den Airbus beschreiben Renate Nimtz-Köster und Uwe Westphal in ihrem mehr als lesenwerten Buch: «Das Mühlenberger Milliardenloch. Wie ein Flugzeug die Politik beherrscht»[1]
"Die Durchsetzung dieses Vorhabens entwickelte sich zu einem internationalen Politskandal, in den auch die Bundesregierung und die EU-Kommission in Brüssel verwickelt sind. Das Buch zeigt, wie ein international agierender Luftfahrt- und Rüstungskonzern mit Hilfe willfähriger Politiker die Entwicklung einer ganzen Metropolregion bestimmt. Die Aushebelung von EU-Recht durch politische Einflussnahme des Bundeskanzlers und die Anpassung von Bundes- und Landesgesetzen an die Vorgaben des Konzerns dürften bundesweit ohne Beispiel sein. (Verlagsbeschreibung)

Die Geschichte geht ja bis heute weiter, Gesetze, Staatsverträge und Naturschutzverordnungen werden auch heute so zurechtgerückt, wie es gerade ins Konzept passt, ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen und ohne Rücksicht auf Kosten durch verlorene Gerichtsverfahren, Gutachten, noch mehr Gutachten ... unsere Politiker und unsere Steuern bei der Arbeit... und alles stets ohne Gewähr, dass Airbus bei der nächsten Delle in seiner Bilanz nicht tatsächlich die Produktion ins billigere Ausland verlagert.

[1] http://www.edition-nautilus.de/programm/politik/buch-978-3-89401-472-8.html

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