Kultur der Zerschlagung

Die schöne Wand am Waschhaus, Potsdam, ca. 1997 (nach einem Foto von Constantin Harazim)
Die Einheit von Hamburgs kulturhistorischem Gedächtnis wird nach dem Willen der alleinherrschenden SPD zerschlagen werden. Alle Zeichen deuten das an, so zuletzt auch die Debatten und Entscheidungen der Bergedorfer Bezirksversammlung am vergangenen Donnerstag, die sich ganz demokratisch, also mehrheitlich für die Übernahme der beiden Bergedorfer Heimatmuseen durch den Bezirk, sprich: deren Herauslösung aus der SHMH ausgesprochen haben.

Noch vereint unter dem Dach der SHMH (Stiftung Historische Museen) sollen das MBV (Museum für Bergedorf und die Vierlande) und das Rieck-Haus ab 1. Januar 2013 in die Verantwortung des Bergedorfer Bezirksamts übergehen. Voraussetzung dafür ist, dass der Senat den Beschluss dazu fällt. Das wird wohl in der Sitzung am 16. Oktober passieren, davon gehen mittlerweile alle aus. Der Schritt ist nach wie vor nicht unumstritten, denn nicht alle schauen so optimistisch in die Zukunft unserer Heimatmuseen wie die regierende SPD und ihre Adlaten. Viele warnen seit fast einem Jahr vor den Risiken dieses Schrittes: Steigende Kosten durch wegfallende Synergien, Know-How- und Qualitätsverluste bei der wissenschaftlichen Museumsarbeit und mittelfristig unwägbare finanzielle Gefahren. Doch alle vorgeschlagenen Alternativen und Warnungen und auch die meisten Verbesserungsvorschläge landeten im Orkus, so wie auch vorgestern die Forderungen der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung nach mehr Sicherheit für die und etwas sozialere Aufstellung der Bergedorfer Heimatmuseen.

Das Konzept zur Herauslösung von MBV und Rieck-Haus aus dem Stiftungsverbund ist schlussendlich vom Bezirksamt Bergedorf zusammen mit der SHMH und der Kulturbehörde entwickelt worden. Erst Fünf vor Zwölf, nämlich erst am 19. September 2012, und nach 11 Monaten Denkzeit konnte es fertig gestellt werden. »Weder zur Beratung des Kulturetats im Kulturausschuss noch zur ersten Lesung des Kulturetats im Haushaltsausschuss lag dem Parlament … ein entsprechendes Konzept vor.«, bemängelte daher die CDU-Fraktion in ihrem BV-Antrag »Erhalt und Stärkung des Museums für Bergedorf und die Vierlande und des RieckHauses nicht gefährden!« [PDF] am letzten Donnerstag.

Das Konzept ist noch nicht öffentlich und es ist Bestandteil einer ebenfalls nicht öffentlichen »Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft über die Fortentwicklung der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH)«, die den Politikern der Bergedorfer Bezirksversammlung etwa 24 Stunden vor ihrer Sitzung am vergangenen Donnerstag vorgelegt wurde – mit der Aufforderung, binnen 48 Stunden Stellung zu der knapp 100 Seiten langen Senatsdrucksache zu nehmen. Auch dies ein Punkt, den die CDU-Politiker rügten, denn eine profunde Auseinandersetzung mit dem Konzept ist in der kurzen Zeit nicht möglich, zumal nach wie vor die zu Grunde gelegten Berechnungen geheim gehalten werden.

Die mittel- und langfristigen budgetären Sicherheiten, die für starke Heimatmuseen gefordert werden müssen, sehen die CDU-Politiker ebenfalls nicht. Offenkundig gibt es in der Senatsvorlage bzw. dem Konzept noch unausgegorene Punkte. So fehlen anscheinend nachweislich noch Lösungen zur langfristigen Sicherung der Personalkosten und weiterer Fixkosten, die in der Vorlage ohne Berücksichtigung von Tarifsteigerungen und Inflation festgeschrieben seien. Auch scheint das Konzept keinerlei Puffer oder Reserven vorzusehen. Vor dem Hintergrund von Budgets, die absehbar so knapp bemessen sein werden, dass ab 2013 nur 75% des Personals im Bezirk Bestandsgarantie haben kann und dass noch härter über bspw. SGB II-Leistungen¹ beschieden werden soll, forderte der CDU-Antrag die Bezirksversammlung auf, entsprechende Nachbesserungen beim Senat einzuklagen.

Mit ihrem Antrag ist die CDU in der Bezirksversammlung letzten Donnerstag gescheitert. Sie steht damit allein auf weiter Flur, wie André Herbst in der heutigen Print-Ausgabe der Bergedorfer Zeitung berichtet. Selbst die Linke in Person von Stefan Jersch sieht laut bz-Bericht die Gefahren nicht, im Gegenteil, er unterstellt Sven Noetzel, Erika Garbers, Jörg Froh und der CDU-Fraktion mit ihrem Antrag eine Vollkasko-Mentalität. Die beantragte Bestandsgarantie der Museen wurde abgelehnt, ebenso wie die Forderung, dass der Bezirksamtsleiter endlich detailliert erklärt, wie der Finanzierungsbedarf eigentlich gerechnet worden ist. Abgelehnt auch die Forderung, die man am ehesten von eher linken Parteien erwartet hätte, nämlich dass Kinder auch weiterhin freien Eintritt in die Museen haben sollen.

Es störte diese Mehrheit auch nicht, dass all diese wichtigen Entscheidungen und Debatten, die das kulturelle Gedächtnis und somit ein Stück weit auch die Identität von Bergedorf und seiner Menschen betreffen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden und -finden. Dennis Gladiator, eiserner Kämpfer für ein sauberes Konzept und solide Zahlen in dieser Sache und Mastermind des BV-Antrages, ist erzürnt über soviel Chuzpe: »Wie kann man Partizipation, Teilhabe propagieren, wenn man sie nicht einmal selbst vorlebt!«

So geht ein Riss nicht nur durch die bisherige Einheit der historischen Museen Hamburgs, sondern auch durch Bergedorf, das offenbar in seinem Lokalparlament verzerrt repräsentiert ist.

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¹ Grundsicherung, Hilfen zur Teilhabe für Menschen mit Behinderungen etc.

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Kommentare

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Stephan Jersch am :

Da muss ich dann doch etwas zu schreiben. DIE LINKE. hat die Forderungen der CDU nicht pauschal abgelehnt. Aber diese als Junktim ins Spiel zu bringen widerspricht allen Kenntnissen über die Verhandlungen im letzten dreiviertel Jahr. Unserem Vorschlag die Forderungen zu stellen, aber davon nicht die Übernahme des Museums in bezirkliche Verwaltung abhängig zu machen (dem hätten wir zugestimmt) wollte die CDU leider nicht folgen. Letztendlich hat die CDU versucht dem Museum mindestens ein weiteres Jahr unter der fatalen Oberhoheit der Stiftung anzutun, denn darauf wäre dieser Vorschlag hinausgelaufen. Und ob unsere Museen dieses Jahr schadlos überstanden hätten halte ich für eher fraglich.
Letztendlich hat die CDU hier eine Kompromisslosigkeit an den Tag gelegt die dem gemeinsamen Ziel - das Museum im Schloss und das Rieck-Haus zu erhalten und zu stärken - einen Bärendienst erwiesen hätte.

Stephan Jersch
DIE LINKE. in der Bezirksversammlung Bergedorf

Carin Schomann am :

Lieber Stephan Jersch, vielen Dank für den Leserbrief im Vierlaender statt in der bz. Es war mir ja nicht vergönnt, persönlich in der bewussten Sitzung anwesend zu sein und mit eigenen Lauschern mitzubekommen, was wer sagt, so dass ich hier einmal auf die bz zurückgegriffen habe. Dass die Linke die CDU-Forderungen pauschal ablehnt, habe ich der bz so allerdings nicht entnehmen können, nicht zitiert und auch nicht behauptet. (Und, mal Hand aufs Herz: Selbst wenn es da gestanden hätte: Ich hätte es nicht glauben können ... es ist doch bekannt, wie sich die Linke. auch schon mal kritisch zeigt und "faule Kompromisse" des Bezirksamts anprangert -- ja, überhaupt ganz eifrig und mit stets fundierten Argumenten für ein Bergedorfer Museeum kämpft!)

Natürlich war es vermessen von der CDU zu glauben, dass sie mit ihren "conditio sine qua non"-Ambitionen eine Mehrheit finden würden - DAS hat die Kenntnis der "Diskussionen" der letzten Monate allemal voraussehen lassen. (WENN sie es denn geglaubt hat. Könnte ja auch sein, dass hier nochmal eine Kassandra rufen wollte, und sei es nur, damit die oppositionelle CDU hinterher keine Schuld trifft, wenn das Projekt, natürlich völlig wider Erwarten, scheitert.)

Ach, papperlapapp! Alles Weicheier! No risk, no fun! Neues Spiel, neues Glück. Eine Bestandgarantie zu fordern, die die den Museen zugeordneten Ressourcen von den kommenden Einsparungen freihält... haben die denn gar kein Vertrauen? Zugegeben, es bricht zwar so einiges weg, aber mit einer mehr oder weniger komplett neuen Mannschaft kommen neue Ideen, es wird alles neu genetzwerkt, sogar das Acronym ICOM wurde schon gelernt zu buchstabieren und was man so über das Profil des zukünftigen Museumsleiters hört... Wenn's hart auf hart kommt, kann man sich ja dann mit billigem Personal/Ehrenamtlern behelfen. Die mögen ohne Fachkenntnisse sein, bringen aber jede Menge Enthusiasmus mit. Hauptsache erstmal, der Matthes ist endlich weg, dann kann ja schon nichts mehr schiefgehen!

Gerhard Lein am :

Liebe Frau Schomann,
bei allem Verständnis zu den sorgen über die Zukunft unserer Bergedorfer Museen. Ich bin kein "Adlatus" der SPD (Wikipedia: Ein Adlatus ist ein (untergeordneter) Gehilfe, ein Helfer oder ein Beistand. Er ist vergleichbar mit dem Adjutanten im militärischen Sprachgebrauch. Der Begriff wird heute meist scherzhaft gebraucht.) Ich bin ein verantwortlicher Kulturpolitiker der Regierungspartei, der u.a. den einstimmigen BV-Beschluss und den folgenden Bürgerschaftsbeschluss hilft umzusetzten. Bitte bewerten Sie doch das Ergebnis, also die Bürgerschaftsvorlage, nicht aber die zahlreichen Wasserstandsmeldungen zwischendurch. Ich bin immer noch sicher, dass wir zu einen guten, tragfähigen und akzeptierten Ergebnis kommen werden.

Carin Schomann am :

Lieber Gerd Lein, danke, dass Sie auf meine undeutliche Formulierung aufmerksam machen. Selbstverständlich sollten nicht Sie sich als »Adlatus« (oder gar als »Wasserträger«, was ja auch eine Konnotation von »Ad-Latus« ist) angesprochen fühlen; Sie gehören ja zur Regierungspartei, die eben, und so ist es gemeint, ihre Adlati hat. Wie jede andere Partei auch - honni soit qui mal y pense.

Sie sagen, nicht die Wasserstandsmeldungen bewerten, sondern das Ergebnis, also die Bürgerschaftsvorlage des Senats. Gern. Als Erstes sticht mir da ein solcher Satz ins Auge: »In den zurückliegenden Jahren wurde das MBV kontinuierlich ausgebaut. Neben der Erarbeitung und Einrichtung der Dauerausstellung wurde das Sonderausstellungsprogramm verstetigt, ein eigener Sammlungsaufbau betrieben und eine didaktische Betreuung durch den Museumsdienst erreicht. Dies hat sich ... in einem attraktiven Museumsangebot mit verstärktem Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm sowie steigenden Besucherzahlen ... niedergeschlagen.«

Vor dem Hintergrund dieses Satzes mutet die Kritik an der bisherigen Aufstellung des MBV in sehr vielen ihrer Aspekte, sagen wir mal: seltsam an. Denn unter anderem das, was da in dem Papier beschrieben steht, wurde ja von den Protagonisten der Herauslösung als mangelhaft angemahnt. Einen sachlichen Grund haben diese Schloss-Zurückeroberer hier also nicht. Und dass derjenige, der maßgeblich an diesem Auf- und Ausbau mitgewirkt hat und der sich im Gegensatz zu anderen buchstäblich das Futter aus der Jacke geschuftet hat, schon frühzeitig als Buhmann aufgebaut und für Dinge, die ganz andere Ursachen haben (nicht auskömmliche Budgets z.B.) unter anderem (und jetzt kommen Adlaten) vom heimischen Meinungsmonopolisten im Printbereich bei jeder Gelegenheit an den Bergedorf-Pranger gestellt wurde, sieht nach einem Indiz für etwas anderes, Obskures, auf jeden Fall strategisch Geplantem aus. Ich will nicht über wahre Gründe und Begehrlichkeiten spekulieren und auch nicht ehrliche Absichten in Frage stellen, die es sicherlich auch gibt, ich will nur feststellen, dass hier etwas nicht ganz stimmen kann. Der zitierte Satz in der Bürgerschaftsvorlage des Senats, vorgedacht auch von der Kulturbehörde und der Stiftung, hat somit auch eine gewisse Ironie.

Es gibt viele Sorgen zu begründen. Um den Rahmen hier nicht zu sprengen, nur zwei von mehreren Indizien dafür, dass Sorgen berechtigt sind.

1. Lt. dem Bergedorfer Konzept v. 19.09.2012 will sich das Bezirksamt am ICOM-Kodex »orientieren«. Der beinhaltet bspw. diesen Satz: »Museumsmitarbeiter/innen sollen die Gewinnung, Erhaltung und Anwendung von Informationen, die den Sammlungen innewohnen, fördern. Daher sollen sie jegliche Tätigkeiten oder Umstände vermeiden, die den Verlust von wissenschaftlichen Informationen zur Folge haben könnten.« (»Ethische Richtlinien für Museen von ICOM« (2004), Punkt 8.4 Akademische und wissenschaftliche Verantwortung)
Wenn Sie sich erinnern, Herr Lein, hat ein bekannter verantwortlicher Kulturpolitiker unlängst gesagt, dass wir keine umfangreichen wissenschaftlichen Publikationen mehr brauchen. »Das liest sowieso keiner.«, hat er gesagt und das zeigt meiner bescheidenen Meinung nach, dass der Geist, der hier herrscht, kein wirklich wissenschaftlich verantwortlicher ist.

2. Budgetsicherheit!
Es ist klar, die langfristige Finanzierung steht auf tönernen Füßen. Bis Ende 2014 scheint alles in halbwegs trockenen Tüchern zu sein und es ist gut, dass die in den 419 Tausend enthaltenen 20 Tausend aus dem Sonderausstellungsfonds fest zugesagt sind, obwohl der Fonds selbst noch in der Schwebe ist, weil er aus der noch nicht existenten Kulturtaxe finanziert werden soll. Frau Professor Kisseler ist zwar optimistisch, dass die Kulturtaxe kommt, wie sie heute morgen auf 90,3 sagte, aber noch ist die Kulturtaxe nicht da. Ab 2015 aber werden nach heutiger Berechnung für MBV und Rieck-Haus rund 100 Tausend Euro fehlen, die dann aus dem Haushalt der FHH dem Bezirk übertragen werden müssen.
Sie können natürlich sagen, Herr Lein, bis dahin fließt noch viel Wasser die Elbe hinunter und wer weiß, vielleicht hat das Bezirksamt ja noch einen Joker im Ärmel, mit dem es uns überraschen will, aber ist das nicht ein zu gewagtes Vabanquespiel für das kulturelle Asset, das diese beiden Museen für Bergedorf darstellen und die es sicher zu bewahren gilt?

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