Fracking: Welche Strategie verfolgt das MELUR?

Hamburgs Wassereinzugsgebiete, zunehmend überlagert von Fracking-Erlaubnisfeldern
Hamburgs Wassereinzugsgebiete, zunehmend überlagert von Fracking-Erlaubnisfeldern
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat eine umfangreiche Anfrage der Piratenpartei zum Fracking beantwortet [PDF]. Demnach sollen Anträge für Öl- und Gassuche im Land zukünftig ein bisschen transparenter gehandhabt werden und der Schutz des Wassers ein bisschen mehr in den Fokus rücken, bestehendes Recht soll ein bisschen besser ausgeschöpft werden. Damit ist die Debatte ums Fracking ein kleines Bisschen voran gekommen, denn nun wird die Position des zuständigen Energiewendeministeriums MELUR etwas klarer. Eine echte Annäherung an das im Koalitionsvertrag kategorisch propagierte Fracking-Verbot -- »Wir lehnen Fracking ab« -- sehen Kritiker darin allerdings nicht: Die vermeintlichen »Zugeständnisse« seien Gummiaussagen und letztendlich werde dem verfahrensführenden Landesbergamt weiterhin freie Hand gelassen -- und dessen Praxis ist bekanntlich eher industriefreundlich als umweltbewusst.

In Hamburg wird das Geschehen im nördlichen Nachbarland mit Argusaugen beobachtet, denn dessen potenzielle Fracking-Gebiete überdecken Hamburgs Wassereinzugsgebiete großflächig -- wie z.B. das Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek, in dem der größte Teil des Einzugsgebiets des Wasserwerks Curslack liegt, das u.a. das Hamburger Zentrum mit trinkbarem Wasser versorgt.

Acht Bergbauberechtigungen, also Lizenzen zum Erkunden, Aufsuchen und Fördern von Öl und/oder Gas sind allein in diesem Jahr allein auf schleswig-holsteinischem Landesgebiet erteilt worden. Die Politiker, die die Anfrage gestellt hatten, erkennen in den Antworten der Landesregierung einige Zugeständnisse: »Im Kampf gegen den Einsatz der riskanten Fracking-Fördertechnologie hat die Landesregierung den Piraten weitere Zusagen gemacht: Auf Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer und Patrick Breyer erklärt sie nun, dass sie Fracking auch außerhalb von Wasserschutzgebieten nicht genehmigen will und das Landesamt für Bergbau (LBEG) anweisen wird, betroffene Gemeinden zukünftig über die zuständigen Ämter an Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Ferner soll der Landtag künftig über neu eingehende Aufsuchungs- und Bewilligungsanträge unaufgefordert informiert werden; bestimmte Förderanträge sollen künftig mit Eingang veröffentlicht werden. Nicht zugesagt wird dagegen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung, eine wasserrechtliche Genehmigung und eine unabhängige wissenschaftliche Beobachtung konsequent zur Vorbedingung für Erdöl- und Erdgasförderungen zu machen.«

Im Dunkeln lässt die ministeriale Antwort, was mit »Die Landesregierung wird das LBEG anweisen, dass die Gemeinden künftig über die zuständigen Ämter beteiligt werden.« konkret gemeint ist. Nach landläufiger Auffassung ist das LBEG für diese bergrechtlichen Verfahren zuständige Amt. Dieses hat gemäß Bundesberggesetz § 15 und einschlägiger Rechtssprechung betroffene Gemeinde dergestalt zu beteiligen, dass diese vor der Erteilung einer Bergbauberechtigung Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen.

Im Fall der acht oben erwähnten Bergbauberechtigungen fehlt bislang der Nachweis, dass die Verfahren entsprechend rechtskonform abgelaufen sind. Eine Information der Gemeinden über ihre Rechte verbreiten zurzeit engagierte Bürger mit einem »Muster einer Beschlussvorlage für den Rat einer Gemeinde/Kreise«.

Nach Auffassung des MELUR seien bisher keine Anträge für Fracking in Schleswig-Holstein gestellt worden: »Über so einen Antrag wäre im Rahmen eines Betriebsplanverfahrens zu entscheiden. Das MELUR hat hierzu die Weisung erlassen, dass ohne ausdrückliche Zustimmung des MELUR keine Betriebspläne genehmigt werden dürfen, welche Fracking zum Gegenstand haben.« Wie jedoch aus dem einzigen bisher öffentlich vorliegenden Antrag -- dem Erlaubnisantrag Ostrohe -- klar hervorgeht, will das Unternehmen Formationen erkunden, aus denen das Gas/Öl nur mithilfe von Fracking gelöst werden kann: »PRD ... wird ... nach Lagerstätten im Posidonienschiefer ... suchen.« Somit ist auch schon ohne Betriebsplanantrag klar, dass Fracking im mit Bescheid vom 13. März 2013 erlaubten Umfang enthalten ist. Mit seiner Aussage, dass in Schleswig-Holstein keine Anträge auf Fracking vorlägen, liegt das MELUR offenkundig daneben.

Das Ministerium selbst ist davon überzeugt, dass »mögliche Anträge nach derzeitigem Stand nicht genehmigungsfähig« seien, und hat dem LBEG entsprechende Weisung erteilt. Frank Grewsmühl, Jurist im MELUR: »Der Erlass erfolgte per Mail am 13. März [2013] an Herrn Pospich, den Leiter des LBEG. Der entsprechende Abschnitt lautete: »Für die Zukunft möchte ich Sie vorsorglich bitten, sämtliche beantragten Betriebspläne, welche Fracking-Maßnahmen zum Gegenstand haben, vor der Erteilung der Genehmigung dem MELUR zur Zustimmung vorzulegen.«
Mit Datum vom 13. März 2013 wurden Erlaubnisbescheide für die Felder Ostrohe und Rosenkranz Nord sowie Bewilligungsbescheide für die Felder Preetz, Schwedeneck-See, Prasdorf und Plön-Ost erteilt, alle gezeichnet vom Ex-Prokuristen Klaus Söntgerath.

Besorgte Bürger im Norden lassen sich indes keinen Sand in die Augen streuen. Immer mehr von ihnen schließen sich Bürgerinitiativen gegen Fracking an oder gründen neue. Geballter Protest gegen Fracking-Pläne heißt es in den Husumer Nachrichten. Im Lauenburgischen vernetzt man sich zusätzlich mit seinen Mitstreitern in Niedersachsen und Hamburg, denjenigen Bundesländern, die ebenso wie Schleswig-Holstein gegen die seltsame Rechtsauslegung des LBEG anzugehen haben.

Während die Probleme in Niedersachsen als Gasland seit mehr als 50 Jahren längst viel mehr Aspekte betreffen als »nur« bergrechtliche Genehmigungen (z.B. die Förderpraxis, die Verpressung von Lagerstättenwasser) oder auch Erdstöße, und während Hamburg mit seiner Aufsuchungserlaubnis Vierlande angeblich nichts zu befürchten hat, schenkt man der Umweltsenatorin Glauben, so sorgen die vorhandenen und die kommenden Konzessionen in Schleswig-Holstein für viel Aufregung. Nach dem geplatzten Gesprächstermin hat Frau Staatssekretärin Nestle Naturschutzorganisationen und Bürgerinitiativen im November erneut zu einem Austausch darüber eingeladen, wie Fracking in Schleswig-Holstein zukünftig verhindert werden könne.

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