Politiker nehmen Stellung zum »Erlaubnisgebiet Vierlande«

Buntglasfenster im Treppenhaus des Rathaus Bergedorf
Die Vierlande: Kein Platz für riskante Manöver mit umweltschädlichen Chemikalien (Buntglasfenster im Treppenhaus des Rathaus Bergedorf)
Vor gut vier Wochen machte die Kunde die Runde, dass der Ölmulti Exxon Mobil für seine Tochter BEB Erdgas und Erdöl GmbH die Erlaubnis erhalten hat, im »Aufsuchungsgebiet Vierlande« Kohlenwasserstoffe aufzusuchen. Kohlenwasserstoffe, damit sind hier Erdgas und Erdöl gemeint. Alteingesessene und Ortskundige wissen, dass auch in den Vier- und Marschlanden früher schon Erdgas gewonnen wurde - auf konventionelle Art. Da die konventionellen Lager erschöpft sind, kann Exxon Mobil also logischerweise nur nach unkonventionellen Lagerstätten suchen. Dort vorhandene Kohlenwasserstoffe können eigentlich nur mit Hilfe der Fracking-Methode gefördert werden und das erfüllt mit Sorge.

Der VIERLAENDER hat Vertreter aller politischen Parteien in Bergedorf und in der Hamburger Bürgerschaft in zwei Wellen nach ihrer Meinung zu diesen Plänen befragt. Mitte Dezember wurden Politiker über den Fakt informiert, dass eine Aufsuchungserlaubnis Vierlande erteilt worden ist. Weil die Resonanz darauf bis Mitte Januar eher verhalten war, wurde nachgefasst und Vertreter der Parteien, die noch nicht reagiert hatten, explizit gefragt, was sie von dem Aufsuchungsplan halten und was sie diesbezüglich zu tun gedenken. Die aus beiden Wellen erhaltenen Antworten werden hier chronologisch wiedergegeben und lassen sich so zusammenfassen: 100 % der antwortenden Politiker können sich vorstellen, dass mit der Aufsuchungserlaubnis Fracking ermöglicht wird, und sehen das kritisch. Einige sind inzwischen aktiv geworden. Es wurden und werden Anfragen und Anträge bei der Bezirksverwaltung gestellt und es werden Informationsveranstaltungen beantragt oder schon vorbereitet.

Spitzenreiter bei der Reaktionsgeschwindigkeit war Die LINKE.. Stephan Jersch, Fraktionsvorsitzender in Bergedorf, hat binnen Stunden reagiert: »Das ist ein Hammer!« Innerhalb weniger Tage hatte diese Partei eine Große Schriftliche Anfrage ans Bezirksamt gestellt; die Antwort ist jetzt täglich zu erwarten. Zurzeit ist die Bergedorfer Die Linke. dabei, eine Informationsveranstaltung am 21. Februar im Blauen Salon des Zollenspieker Fährhaus zu arrangieren, u.a. mit ausgewiesenen Experten für Bergbau und Bergrecht, die mit keiner Behörde assoziiert sind.

Auch Jörg Froh und Dennis Gladiator von der CDU meldeten sich noch am Tag der Erstinformation. Die örtliche CDU in Person von Peter Aue fragte kurz vor Weihnachten beim Bezirksamt nach:
»War das Bezirksamt über das Verfahren zwischen der Beantragung bis zur Genehmigungserteilung informiert, bzw. mit dem Vorgang befasst? Wenn ja, wann war dies und um welches Amt handelte es sich?«
Das Bezirksamt beantwortete die Anfrage am 09.01.2013 wie folgt:
»Nein.«

Die CDU-Ortspolitiker haben außerdem einen Antrag eingebracht, der in der morgigen Sitzung des Regionalausschuss debattiert werden soll:
»Damit sowohl die politischen Gremien als auch die lokale Bevölkerung hinreichend informiert werden, beantragen wir - unter Einbeziehung des Ausschusses Landwirtschaft, Grün und Umwelt - fachkundige Referenten der Verwaltung und der Exxon-Tochter BEB Erdgas und Erdöl GmbH zu einer der nächsten Sitzungen des Regionalausschusses einzuladen.«


Ebenfalls noch vor Weihnachten meldete sich die Fraktion der FDP/Piraten. Deren Mitglied Jan Penz, Piratenpartei:
»Das Thema Fracking beobachten wir sehr intensiv, da es erhebliche Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt hat. Die Aussagen, welche von einigen in der Bürgerschaft oder Verwaltung getätigt werden, dass es aktuell für Hamburg und die 4M nicht weiter wichtig ist, sehen wir absolut nicht. Zumal uns die Antworten auf die Anfrage der FDP Bürgerschatfsfraktion zuviel Spielraum lassen und zu ungenau sind. Aufgrund der aktuellen Kenntnisse und bereits durchgeführten Fracking Projekte (zB. USA), lehnen wir eine Anwendung dieser Methode derzeit generell ab.«

Auf ihrer Sitzung am 14.01.2013 hat die Piratenpartei beschlossen, einen Antrag in die Bezirksversammlung einzubringen [Link folgt].

Für SPD antwortete Monika Schaal, Sprecherin für Umwelt und Energie der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, auf die drei, allen Politikern gleich gestellten Fragen:

VIERLAENDER: Was sagen Sie dazu, dass der Aufsuchungsantrag vom zuständigen Landesamt LBEG positiv beschieden worden ist und damit sog. unkonventioneller Abbau von z.B. Erdgas mit Fracking auf Hamburger Staatsgebiet der Weg bereitet wurde?

Monika Schaal: Ich habe hinsichtlich der Umweltauswirkungen erhebliche Bedenken gegen die Fracking-Technologie. Niemand kann bisher glaubwürdig ausschließen, dass sie keine Beeinträchtigung für den Grundwasserhaushalt oder die menschliche Gesundheit nach sich zieht. Die für das Fracking eingesetzten Chemikalien sind nach meinem Kenntnisstand gesundheits- bzw. umweltgefährdend.

Wie werten Sie die möglichen Umweltauswirkungen von hydraulischem Fracturing, welches mit der Erlaubniserteilung möglich und wahrscheinlich geworden ist?

Es steht in Rede, dass in den Vierlanden Untersuchungen vorgenommen werden sollen. Dort liegen die Wasserwerke Curslack, Bergedorf, Lohbrügge und Borstelbek. Diese Wasserwerke leisten für die Wasserversorgung von ganz Hamburg einen erheblichen Beitrag. Auch in der Nordheide befinden sich Gebiete, aus denen Hamburg mit Wasser versorgt wird. Auch auf das Gebiet soll sich die Aufsuchenserlaubnis erstrecken. Der Schutz aller für die Trinkwasserversorgung der Stadt und des Umlandes benötigten Wasserförderungsgebiete muss Vorrang haben vor einer wie auch immer gearteten bergrechtlichen Nutzung.

Es besteht durchaus Sorge, dass bei künftigen Erkundungen oder einer etwaigen Förderung von Erdgas nach der Fracking-Methode der Schutz des Grundwassers nicht sicher gewährleistet werden kann. Das Bundesumweltamt gibt zu bedenken, dass noch viele Fragen ungeklärt seien.

Wie beteiligen Sie sich an der aktuellen Diskussion bzw. Informationssuche via Anfragen und/oder Anträgen in den Ausschüssen und der Bürgerschaft?

Ich bin in engem Kontakt mit der Senatorin für Umwelt- und Stadtentwicklung. Über weitergehende Initiativen werde ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen des Arbeitskreises Umwelt der SPD Bürgerschaftsfraktion besprechen.


Für die Bergedorfer Grünen antwortete heute Rolf Wobbe und erklärte, man werde zur morgigen Sitzung des Regionalausschuss einen gemeinsamen Antrag mit der CDU einbringen [Link folgt]. Er und seine Parteikollegin Liesing Lühr verwiesen außerdem auf das Statement, in dem sich Jens Kerstan, Vorsitzender der Bürgerschaftsfraktion der Grünen, bereits am 20.12.2012 gegenüber dem Abendblatt um die Gesundheit der Hamburger sorgte:
»Fracking ist eine neue und wenig erprobte Technologie. Man kann Gefahren für das Grundwasser durch den Chemikalieneinsatz nicht ausschließen. Es wäre unverantwortlich, diese Technologie in einer dicht besiedelten Metropolregion zu erproben.«


Während Hamburg - hier liegt die Erlaubnis zur Erdgassuche längst vor - langsam aktiv wird und sich über Fracking informiert, wartet die kanadische Ölfirma PRD weiterhin darauf, dass ihre Anträge für Aufsuchungsgebiete im östlich und nördlich von Hamburg im Schleswig-Holsteinischen abgenickt werden. Offenkundig haben es die nördlichen Nachbarn geschafft, den spätestmöglichen Termin für ihre Stellungnahme deutlich hinauszuzögern. Ursprünglich sollte das vom LBEG angefragte MELUR (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume) am 16. Oktober abschließend Stellung beziehen. Über den Stand der Dinge dort, insbesondere im Erlaubnisgebiet Schwarzenbek, findet morgen, 22. Januar 2013, um 20 Uhr in der Sporthalle Kuddewörde (Möllner Landstraße 3) eine Informationsveranstaltung statt.

[Nachtrag 01.02.2013]

Fritz Manke, Umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, teilt mit: »dass die Bergedorfer SPD-Fraktion sich eindeutig gegen Fracking, weder in den Vier- und Marschlanden, noch sonstwo ausgesprochen hat. In der Bezirksversammlung vom 31.01. wurde das auch deutlich gemacht.«

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