Unfair: Finanzrahmengesetz im superreichen Hamburg
Geschrieben von Carin Schomann amAusschnitt aus »Marktfrauengruppe« von Ingo Koblischek, 2003 (Signatur: 2002), am Charlottenhof (Charlottenstraße), Friedrichshafen Foto: Andreas Praefcke
Armes reiches Hamburg¹: Da wird auf dem Rücken der kleinen Leute auf die Schuldenbremse getreten und das soll jetzt auch noch gesetzlich legitimiert werden. Bis 2019 will die Hamburger Regierung die relativen Ausgaben soweit gesenkt haben, dass das Land ohne (was auch immer das genau bedeutet:) Neuverschuldung auskommt. Sparpotenzial haben die Experten vor allem da ermittelt, wo sie den wenigsten Widerstand haben: Bei den kleinen Leuten. »Abscholzen« ist das neue Wort für derlei. Erfunden hat das wohl die Hamburger Linke -- jedenfalls wollen sie Infos über die manifesten Kürzungen und Einschnitte unter www.abgescholzt.de sammeln.
Morgen soll also das Finanzrahmengesetz beschlossen werden, das festnagelt, was schon jetzt im Ansatz zunehmend sichtbar wird: Auf der einen Seite tiefe Einschritte im sozialen Bereich -- z.B. Bildung, Pflege, Teilhabesicherung für Benachteiligte, auskömmliche Löhne, Wohnraum für alle. Schon jetzt sind die Bezirke kaum noch in der Lage, allein ihre gesetzlichen Aufgaben im sozialen Bereich zu erfüllen. Auf der anderen Seite millionenschwere Prestigeprojekte, eine hochglanzpolierte Hafencity mit edlen Quartieren, eine Elbphilharmonie, steuersubventionierte Infrastruktur- und Kulturprojekte, von denen die nationale und internationale Wirtschaft profitiert, und eine fetter werdende Geldelite. »An der Spitze der Vermögenshierarchie standen 2010 neun Hamburger Vermögensmilliardäre mit einem Vermögen von rund 33 Milliarden Euro. Innerhalb der de. 20.000 Hamburger (Finanz-)Vermögensmillionäre gibt es einen Club von ca. 50 Superreichen mit einem Vermögen von jeweils mehr als 200 Millionen Euro.« (Pohl/Wicher 2011) Hamburg ist stinkreich, Hamburg hätschelt seine Reichen, indem es nicht sie, sondern die kleinen Leute die Last der Schuldenbremse tragen lässt. Deswegen leben immer mehr Menschen in Hamburg in prekären Verhältnissen. Beispiel gefällig? In Hamburg ist jedes vierte Kind auf staatliche Unterstützung angewiesen -- Tendenz steigend.
Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverband Deutschland in Hamburg, schildert die Konsequenz aus der Arm-und Reich-Verteilung so: »Wenn Milliardäre und Multimillionäre immer weniger zur Finanzierung des Hamburger Haushalts beitragen, müssen nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer mehr zahlen. Der Senat wird auch stärker auf die Schuldenbremse treten. Zudem legt der Senat nun in einem Finanzrahmengesetzt fest, dass er die Ausgaben jährlich nur minimal steigern will. Das trifft vor allem die Schwachen in der Gesellschaft. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer und der Senat will sich und das Parlament haushaltspolitisch durch ein Finanzrahmengesetz einzementieren.«
»Das eine hat mit dem anderen direkt zu tun, es sind zwei Seiten einer Medaille.«, sagt Wicher weiter. »Wenn der Staat auf Erleichterungen für die Unternehmen setzt, geringere Einnahmen in Kauf nimmt und eine Schuldenbremse einführt, dann muss er in der Folge bei denen kürzen, die den Staat dringend brauchen. Das ist eine ungerechte und unsoziale Politik und das Gegenteil von dem, was die SPD versprochen hat. Wir (der SoVD Hamburg) unterstützen die Forderung des Bündnisses UmFairteilen nach einer Vermögenssteuer, höheren Steuern für Hochverdiener und einer einmaligen Vermögensabgabe. Nur so ist das soziale Miteinander in eine gerechte Balance zu bringen. Außerdem treten wir für einen flächendeckenden Mindestlohn ein und ein Ende der prekären, nicht auskömmlichen Beschäftigung. Hamburg ist eine wachsende Stadt. Die Zahl der Beschäftigten stieg beständig. Gleichzeitig müssen immer mehr Jobs übernehmen, von deren Bezahlung man nicht leben kann. Das ist Armut mit einem gefährlichen Zeitzünder.“
Aufgrund all dieser Entwicklungen rufen jetzt zahlreiche Verbände und Initiativen dazu auf, die ablehnende Haltung gegen dieses junkerhafte Gebaren auf der Straße zu zeigen. Am kommenden Samstag heißt es ab 12 Uhr mittags im Hamburger Bankenviertel: Umfairteilen«: Symbolisch werden dann Geldsäcke aus den Banken an die Bürger verteilt.
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¹ Gerd Pohl und Klaus Wicher (Hg.): Armes Reiches Hamburg. Metropole zwischen Wohlstand und Armut. VSA Verlag : Hamburg 2011
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