Beim Fracking auf die Bremse treten

Dr. Herlind Gundelach, Peter Altmaier, Dennis Gladiator (v.r.n.l.)
Bundesumweltminister Peter Altmaier beim Gespräch mit lokal engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Rechts die CDU-Direktkandidatin des Wahlkreis 23, Dr. Herlind Gundelach; links Dennis Gladiator, der für die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft sitzt.
»Beim Fracking auf die Bremse treten, nicht aufs Gas.« Mit dieser Formel fasste Bundesumweltminister Peter Altmaier seinen Standpunkt zum Fracking in Deutschland zusammen, als er heute auf seiner Wahlkampftour in Bergedorf Halt machte. Nachmittags waren ausgewählte Vertreter lokaler Bürgeriniativen gegen Fracking und gegen Windenergie-Repowering sowie der »Gemeinschaft Vier- und Marschlande« zum Gespräch mit dem Minister eingeladen, am Abend sttellte sich der Minister den Bürgerfragen bei seiner öffentlichen Diskussionsveranstaltung.

»Beim Fracking auf die Bremse treten, nicht aufs Gas.«, sagte der Minister den Menschen. Er sieht für Fracking in der nahen Zukunft in Deutschland eher keine Möglichkeit - wegen der dichten Besiedlung. In den USA sei das anders, da finde das Fracking inmitten des Nirgendwo statt, wo höchstens einmal ein Kojote sich erschreckt, vielleicht auch umfällt. Auch sah der Minister nicht die Notwendigkeit, diesen Bodenschatz jetzt zu heben. Schließlich werde das Gas, das bereits viele Millionen Jahre dort unten liegt, nicht schlecht, wenn es noch 20 Jahre länger dort liegen bleibt.

Fracking zu verbieten sei schwierig, meinte der Minister. Ein generelles Verbot würde wohl vor dem Verfassungsgericht scheitern. Ein anderes Beispiel aus dem Bergbau diente dem Minister zur Erläuterung: Der Steinkohlebergbau in Altmaiers Heimatland an der Saar. Dort habe der Abbau der Steinkohle verheerende Schäden an der Oberfläche angerichtet - ein halb eingestürzter Kirchturm und 300 abgestürzte Schornsteine - woraufhin der Steinkohlebergbau im Saarland beendet wurde. Trotzdem sei der Steinkohlebergbau nicht in ganz Deutschland verboten. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus dem Jahre 2011, wonach ein Frackingverbot durchaus verfassungskonform sei, hielt Altmaier für begrenzt nützlich, da dieses Gutachten nicht bewiesen habe, gerichtsfest zu sein.

Fracking sei heute in Deutschland überall erlaubt, meinte Altmaier. Auch er sehe beim Fracking noch viele ungeklärte Fragen. Der Plan sei daher, hier schrittweise vorzugehen und zunächst einmal das Fracking in Wasserschutzgebieten zu verbieten. Der Minister empfand es als falsch, dass Kritiker den Entwurf eines Änderungsgesetzes des Wasserhaushaltsgesetzes, den er zusammen mit Wirtschaftminister Rösler eingebracht hat, als »Frackingfördergesetz« bezeichnen. Er bedauerte, dass sein Vorschlag eines Fracking-Moratorium auf taube Ohren gestoßen war, und versicherte aber, dass vor der Wahl in sechs Wochen keine gesetzgeberischen Aktivitäten in Bezug auf Fracking stattfänden. Gleichwohl liege der Gesetzentwurf nur auf Eis, sei also nicht verworfen.

Man müsse bedenken, dass es beim Fracking auch um die Geothermie ginge. Die Umweltverträglichkeit des Fracking sei die Frage, die zunächst geklärt werden müsse. In den nächsten 10, 20, 25 Jahren erwartet Altmaier in deutschem Boden kein Fracking im großen Maßstab. Forschung aber müsse es geben. Die Gasindustrie halte zurzeit still und warte auf eine Perspektive. So seien im Moment keine Fracs in Deutschland vorgesehen -- es herrsche sozusagen ein Stillhalteabkommen, also eine Art informelles Moratorium, sagte Altmaier. Es sei die Pflicht der Regierung, der Industrie eine klare Perspektive zu geben, um sich hier keinen Klagen auszusetzen.

Erst wenn jegliche Zweifel an der Sicherheit des Fracking widerlegt seien, könne die Technik zum Einsatz kommen, sagte der Minister. »Mit der CDU im Zweifel für die Umwelt!«, betonte er. Im Hinblick auf schon stattgefundene, bundesweite Treffen der Anti-Fracking-Initiativen schlug er vor, das nächste Treffen im kommenden November mit ihm gemeinsam in Berlin zu veranstalten.

Wassereinzugsgebiete und Aufsuchungsgebiete für Kohlenwasserstoffe in und um Hamburg. Quelle: Hamburg Wasser
Wassereinzugsgebiete und Aufsuchungsgebiete für Kohlenwasserstoffe in und um Hamburg. Quelle: Hamburg Wasser
Die Delegierten der Bürgerinitiativen FrackingFreies Hamburg/-Harburg versuchten, dem Minister in aller gebotenen Kürze die Unmöglichkeit des Fracking in und um Hamburg vor Augen zu führen, da das Gebiet großräumig von Wassereinzugs- und Trinkwassergewinnungsgebieten für viele Millionen Menschen durchzogen ist - ein absolutes No-Go für Fracking. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit eines Frackingverbots versuchten sie den Bundesumweltminister, seines Zeichens Jurist, zu ermutigen, insbesondere im Hinblick auf Artikel 2 Grundgesetz, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, und Artikel 20a, die Verpflichtung des Staates, die lebenswerte Umwelt auch langfristig zu erhalten.
Den Hinweis des BI-Chefjuristen zu der Möglichkeit eines Frackingverbots auf Grundlage der Landeswassergesetze, die aufgrund der bundeseinheitlichen Regelungslücke existiert, nahm der Minister zur Notiz.

Übermorgen, am 15. August, wird Bundesumweltminister Altmaier in Völkersen für die Wiederwahl der CDU kämpfen. Nach der Idylle in Bergedorf und Vierlanden sieht das Protokoll dann hoffentlich auch eine Besichtigung des dortigen Gasbohr-Betriebsplatzes und ausreichend intensive Gespräche mit Einwohnern von Langwedel vor, damit der Minister schon gemachte Erfahrungen mit Gasbohren und Fracking hautnah erlebt.

Bereits am 10. August, als der Minister durch Bad Bramstedt tourte, wurde er mit dem Protest gegen Fracking konfrontiert, als Mitglieder der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager und gegen Fracking ihm ihr Protestschreiben übergaben. Darin wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass Schleswig-Holstein nicht das Land zwischen CCS und Fracking werden soll. Die Aufsuchungserlaubnisse in Schleswig-Holstein, soweit sie der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurden, beinhalten auch die Aufsuchung der nur mittels Fracking erschließbaren Posidonienschiefer- und tight-gas-Formationen.

In Schleswig-Holstein haben viele Gemeinden - sogar viele der teilweise weit verstreut liegenden Ortsteile - eigene Wasserwerke. Deren Einzugsgebiete müssen vor Frackingmaßnahmen genauso geschützt werden wie die großen Wassereinzugsgebiete und die Trinkwasserschutzgebiete. Sonst müssen die Menschen in Schleswig-Holstein bald Frackingflüssigkeiten trinken, die nach Angaben eines Vertreters von PRD Energy - auf der Anhörung des Wirtschaftsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtages am 07.08.2013 - angeblich Trinkwasserqualität haben.

Die Schleswig-Holsteiner forderten Minister Altmaier auf, von seinen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, durch Verordnungen den Schutz des Trinkwassers in Deutschland zu sichern.

Herlind Gundelach, Peter Altmaier, Dennis Gladiator und Birgit Stöver am Zollenspieker Fährhaus, 12. August 2013
Herlind Gundelach, Peter Altmaier, Dennis Gladiator und Birgit Stöver am Zollenspieker Fährhaus, 12. August 2013

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Kommentare

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Volker Fritz am :

es ist schon erstaunlich, mit welcher Unverfrorenheit der Minister die Bürgwer glauben machen will, dass die vorliegenden Gesetzesentwürfe dem Schutz des Grundwassers dienen sollen. Im Gegenteil, bis auf kleine Flächen wird der Rest von Deutschland zum Fracken, und was noch schlimmer ist, zum Verpressen, freigegeben.

Da kann der Minister ruhig touren, so ist sein und das Verhalten der CDU nicht glaubwürdig.
Das wäre es, wenn die Regierung zumindest ein
generelles offizielles Moratorium erklätren
würde.

Es geht aber um Grundsäötzliches: wir brauchen
diese Energie nicht, die nur unter hohen Risiken gefördert werden kann und noch dazu in sehr geringen Mengen, vergliochen mit dem heutigen Erdgasbedarf, den wir ja noch herunter fahren wollen (duch enegiesparende Masßnahmen). gerade hat das Fraunhofer-Institut ermittelt, dass die "verbrauchsintensive Industrie" in Deutschland
eine leicht zu realisierende Einsparreserve von
15% ihres Gesamtverbrauches hat, die zur Zeit, dank falscher politischer Weichenstellungen,
nicht in Angriff genommen wird.

Da liegt Vieles politisch im Argen, Herr Minister.

Volker Fritz

tommy am :

naja, ich habe die erfahrung gemacht, dass es etwas besser ist, radikaler an die ganze sache 'ranzugehen.

wenn man als gegenargument das grund-/trink-wasser bringt, dann wird das eben nicht in diesen gebieten gemacht.
erdbeben? egal, wird alles totgeredet, wie bei stuttgart 21.

ich denke: es ist eine sauerei, wenn die konzerne "chemie" in den boden pumpen. egal ob trinkwasser oder nicht. irgendwann, wird es irgendwen schädigen. und dabei ist es egal, ob das in fünf oder 50.000 jahren passiert (wenn die menschheit so lange noch existiert!?)

sich immer auf diese politische, diplomatische ebene zu begeben ist nicht zielführend und wird letzendlich zu kompromissen führen, die die um- und mitwelt schädigen.

erdgeist am :

da haste recht, tommy, immer nur politisch und diplomatisch reicht nicht, da müssen auch noch andere zeichen gesetzt werden.

z.b. den bergämtern auf die manikürten finger gehauen werden, die die ganze zeit lustig genehmigungen an die ölmultis vergeben, teils auch trotz moratorium (NRW)!

bohrplätze verhindern wie die wackeren kämpfer in Balcombe, Sussex, UK, steht in Hamburg gsd noch nich an, darum: wehret den anfängen!

und kommt zur demo am 31.08., 13 uhr am Hachmannplatz!

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