Besorgnis allenthalben wegen Frackingdrohung in Hamburg

Jeffrey Michel, Stefan Jersch, Rainer Zawislo im Zollenspieker Fährhaus
Die Fachleute Jeffrey Michel und Rainer Zawislo (von links) informierten über Fracking im vollbesetzten Großen Saal des Zollenspieker Fährhaus. Zwischen ihnen Moderator Stefan Jersch.
Am vergangenen Donnerstag fand im Ballsaal des Zollenspieker Fährhauses eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema »Fracking in Vierlanden?« statt. Die veranstaltende Bergedorfer Die Linke. zählte rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Altersgruppen. Trotz des lokalen Bezugs der Fragestellung gingen die beiden Referenten Jeffrey Michel und Rainer Zawislo das vielschichtige Thema eher global bzw. allgemein bergrechtlich an. Den Bezug zum ländlichen Gebiet in Hamburgs Süden und Südosten, das der Ölmulti ExxonMobil für seine Erdgassuche auch auserkoren hat, besorgte das Publikum mit seinen Fragen und Einlassungen.

Mit ihren Fachvorträgen und der Moderation gaben die drei Herren auf dem Podium die Gangart an. So war die Atmosphäre im Saal wohl angespannt, aber nicht emotional. Die Menschen waren gekommen, um zu wissen. Sie wollten wissen, was beim Fracking passiert, warum Fracking auf einmal so ein Hype ist und wie es möglich ist, dass die Hamburger Regierung einfach so ohne jegliche Beteiligung von Politik oder gar Bürgern stillschweigend eine Entscheidung fällt...

... eine Entscheidung, die im schlimmsten Fall die Vergiftung des Trinkwassers nach sich zieht. Und die Menschen wollten wissen, was gegen die Bedrohung getan werden könne. Das Publikum saugte sowohl Michels von Daten und Fakten überquellendes Referat als auch Zawislos Darlegung des überaus spröden Themas Bergrecht förmlich auf.

Deutschland steht ohne erneuerbare Energien vor der Wahl zwischen Schiefergas und Braunkohle

Der Energieforscher und -berater Michel stieg mit dem finanz- und wachstumspolitischen Aspekt ins Thema ein. Er zeichnete zunächst die Entwicklung des Frackingbooms in den USA nach, um dann das erst Ende 2012 erneuterte Wachstumsverdikt in Europa zu zitieren. Wachstum braucht Energie, doch woher die Energie in Zeiten des Atomausstiegs nehmen? Michel kam zu dem Schluss: »Deutschland steht ohne erneuerbare Energien vor der Wahl zwischen Schiefergas und Braunkohle.« Damit legte er auch den Finger in die Wunde der aktuellen Energie- und Strompreispolitik in Deutschland. Außerdem informierte Michels Vortrag über Erfahrungen mit der Frackingmethode. So wurde deutlich, dass das Fracking höchst problematisch im Hinblick auf Belastungen und Veränderungen der Umwelt einschließlich des Trinkwassers ist. Kontaminationen mit stark toxischen Stoffen in Boden, Wasser und Luft, eine mehr als bedenkliche Klimabelastung durch massiven Methanaustritt in die Atmosphäre, und das erhöhte Risiko von Erdbeben durch das Verpressen von Frac-Flüssigkeit und Formationswässern im Untergrund müssten das Fracking eigentlich unattraktiv machen -- wäre da nicht die Mechanik der Finanzmärkte vor, zumindest im Augenblick.

Bergrecht ist kaiserliches Recht

Zawislo stellte sich als Bergbeamter i.R. vor, der aktuell einer Bürgerinitiative als bergrechtlicher Berater zur Seite steht. Seinen Vortrag hielt er aus der Lamäng. Er schaffte es, trotz der drögen und zudem komplizierten Materie so zu dozieren, dass niemand einschlief und dass später gut informierte Fragen kamen. Zunächst stellte Zawislo klar, was für eine Art Recht das Bergrecht ist: Ein kaiserliches. Im 19. Jahrhundert eingeführt, um dem Kaiser einen unkomplizierten Zugriff auf Bodenschätze zu garantieren, schreibt es das Konzept der sog. bergfreien Bodenschätze fest. Das bedeutet, dass Grundbesitzer keinen Anspruch auf bestimmte Bodenschätze haben, sondern der Staat. Der darf sie jedem, der sie abbauen will und kann, quasi alleinherrschend zusprechen. Dieses Bergrecht, zuletzt unter Kanzler Helmut Schmidt und kräftigem Zutun von Otto Graf Lambsdorf und dem späteren Banker Hans Friderichs novelliert, ermöglicht dem Staat und seiner Verwaltung nach wie vor, relativ schwer angreifbar Bergbau zuzulassen, auch wenn er dem Interesse der betroffenen Anwohner entgegensteht. Zawislo hob insbesondere den § 48 des Bundesberggesetzes hervor, aus dem sich Möglichkeiten ableiten, wie mit dem vielbesungenen, aber schwer zu vertretenden öffentlichen Interesse als Versagungsgrund einer Bergbaumaßnahme verfahren werden könnte.

Mitschnitt der Vorträge auf Youtube


Wehrt Euch!

Dem Publikum rauchten die Köpfe, aber dennoch wurde nur einmal lautstark unterbrochen: Ein hochbetagter Herr sprang auf und donnerte: »Ich höre immer nur Paragraphen, Paragraphen! Ihr müsst was tun! Wir sind damals in die Bille-Siedlung gezogen und ich weiß, was es heißt, von denen da oben über den Tisch gezogen zu werden. Wehrt Euch!!«

Versammlung im Ballsaal des Zollenspieker Fährhaus
Volles Haus im »Zolli« bei der Info- und Diskussionsveranstaltung »Fracking in Vierlanden?«. Der NDR-Reporter hatte den besten Überblick und zählte 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.



Senat muss beim Fracking für Transparenz sorgen!

Auch in der Politik rumort es mittlerweile kräftig. In der Hamburger CDU ist man etwas ungehalten und meldet: »Viele Menschen haben vor dem sogenannten „Fracking“ Angst und sorgen sich um die Umwelt. In der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage der CDU »Hydraulic Fracturing im Erlaubnisfeld Vierlande« gibt der Senat jedoch weniger Informationen über die Planungen in Hamburg preis als
bereits über die Presse bekanntgeworden sind. Für Aufklärung soll nun eine zweite Anfrage sorgen. Dazu erklärt Birgit Stöver, umweltpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion:

»Dass der Senat über das Fracking weniger Informationen als die Presse hat, ist kaum vorstellbar. Senat und Unternehmen müssen hier für deutlich mehr Transparenz sorgen und die Bevölkerung umfänglich und nachvollziehbar informieren. Daher haben wir uns entschlossen eine weitere Anfrage zu stellen. Wir sehen derzeit die Schiefergasförderung in dichtbesiedelten Gebieten und Gebieten in denen Trinkwasser gewonnen wird eher skeptisch. Das gilt insbesondere auch für Hamburg.

Um eine Beurteilung der Frackingpläne zu ermöglichen und die Wissenslücken, auch für die Bevölkerung, zu schließen, haben wir erneut eine Anfrage > an den Senat gestellt. Unklar sind unter anderem die Verfahrens- und Genehmigungsabläufe, Umwelteinwirkungen sowie der derzeitige Stand des Verfahrens. Auch die Frage nach dem Umgang mit Trinkwasserschutzgebieten muss der Senat beantworten. Wir fordern ihn deshalb auf, klar Stellung zu beziehen, ob Fracking in Hamburg ermöglicht werden soll.

Hamburger Grüne beantragen Fracking-Moratorium

Der unzureichende Kenntnisstand um Risiken und Kontrollierbarkeit des Fracking und seiner Folgen veranlassen die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, ein Moratorium zu fordern. Das heißt konkret, es sollen keine Frack-Bohrungen zugelassen werden, bevor nicht die heute noch bestehenden Wissenslücken zu möglichen Gefahren für die Umwelt geschlossen und die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere die Einführung einer verbindlichen Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung, für Frackingvorhaben geschaffen sind. Außerdem wird der Senat aufgefordert. »noch bestehende Wissenslücken zu identifizieren, entsprechende Untersuchungen zu veranlassen und der Bürgerschaft hierüber bis zum 01. Juni 2013 zu berichten.«

Der Antrag »Betr.: Fracking-Moratorium für Hamburg – Keine unkalkulierbaren Risiken für unser Grundwasser und die menschliche Gesundheit« soll in der Bürgerschaftssitzung im März abgestimmt werden.

Wird das Bergedorfer Bezirksamt an Entscheidungen beteiligt?

Die ursprüngliche Große Anfrage an das Bergedorfer Bezirksamt »Förderung von Kohlenwasserstoffen nebst anfallender Gase auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg« vom 20. Dezember 2012 fragt unter anderem nach der Beteiligung des für die Vier- und Marschlande zuständigen Bezirksamts in Bergedorf. Es wurde inzwischen zum Auskunftsersuchen umgemünzt und dreht weiterhin ihre Runden durch die Hamburger Fachbehörden, die offenkundig hoffnungslos unterbesetzt sind und immer noch keine Antworten finden können.

Bürger werden aktiv

Wie bekannt wurde, haben mehrere Bürger Antrag auf Akteneinsicht gemäß dem Hamburgischen Transparenzgesetz bei der federführenden Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) gestellt. Sie warten teilweise länger als vier Wochen auf einen Termin bzw. einen Bescheid.

Am Ende der Veranstaltung gab die Initiative der Hamburger, die sich gegen Fracking in den Vier- und Marschlanden wehren, bekannt, dass ab sofort jeden Mittwoch um 19:30 Uhr ein gemeinsamer Austausch im Gasthaus »Zum Elbdeich«, Neuengammer Hausdeich 2, stattfindet.


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Kommentare

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Sylvia Heitmann am :

Ich war am Donnerstag auf der Info-Veranstaltung im Zollenspieker Fährhaus und möchte wissen, was ich und auch die Anderen, die hoffentlich immer mehr werden und sich wehren, konkret tun können, denn die Zeit spielt für Exxon und wir müssen den Wettlauf gewinnen, d.h. Klage einreichen-wie an dem Abend vorgeschlagen -: Nur, wer reicht Klage ein etc...) Gibt es da schon Pläne??? Wenn erst einmal die Bewilligung erteilt wurde, ist alles zu spät!!!

Th.Dold am :

Auch ich bin besorgt von der Info-Veranstaltung nach Hause gekommen und will mich in der Sache aktiv engagieren! Erst einmal sollten moeglichst viele von den schmutzigen Vorhaben und Risiken erfahren! Ich werde daher u.a. versuchen meine Nachbarn und Freunde ueber "Fracking" aufzuklaeren und zu den naechsten Sitzungen der Interessensgemeinschaft "No Fracking" zu gehen. Dort sollten wir einen gut vernetzten Protest, ueber Vierlande hinaus, planen und loslegen!
Die IG trifft sich mittwochs 19.30 h - im Gasthaus zum Elbdeich - Neuengammer Hausdeich 2

@ Karin: Vielen Dank fuer diese super aktuelle, informative Seite!

Patrick S. am :

Mit großem Interesse und großer Sorge verfolge ich die Geschehnisse um das Thema Fracking in Norddeutschland und bin froh, diesen Artikel gefunden zu haben. Ich würde gerne etwas dazu beitragen, Fracking zu verhindern. Allerdings komme ich aus Ratzeburg und es ist nicht ganz leicht für mich, an euren Sitzungen teilzunehmen. Sollte sich in den kommenden Sitzungen ein Ansprechpartner herauskristallisieren (oder sollte es den schon geben), wäre ich dankbar wenn es auf dieser Seite die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gibt.

Bei meinen Recherchen habe ich einen interessanten Link entdeckt:

http://ec.europa.eu/yourvoice/ipm/forms/dispatch?form=SHALEGAS&lang=de

Dort geht es um einen Fragebogen der EU zum Thema Fracking. Dauert ca. 10-15 min. Ist schonmal ein kleiner Anfang.

Viele Grüße, Patrick

Carin am :

Moin Patrick,

um anzufangen, könntest Du bspw. die Mailingliste der BI abonnieren:
nofrackinghamburg{minus}join{at}flokinet{dot}is

Da sind auch ein paar Leute aus RZ mit dabei, so könntest Du in Kontakt mit ihnen treten.

Also willkommen im Club und vielleicht liest man sich ja mal wieder. ;-)

Gruß, Carin

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